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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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stand sie an ihrem Platz, aber das würde nicht immer so bleiben, wusste er. Das hier, das konnte keiner Spinne gefallen, nie im Leben. Wer ließ sich schon gern die Butter vom Brot nehmen? Wer das Brot gleich mit dazu? Hier aber, hier kletterte gerade das Spinnenbutterbrot aus dem Brunnen und das alles nur, weil er versagt hatte. Versagt. Er.

    Ein Wunder, wie die Welt, auch wenn sie sich nur aus Felswänden, Dämmerlicht und drei Kindern zusammensetzte, wieder auferstand. Stück für Stück kam das Kreisrund dieser Welt näher, jetzt konnte Kasi in sie hineinsehen, spürte er den Brunnenrand und wie die Freunde ihn über diesen hinweg zurück ins Leben zogen. Alles tat ihm weh, er fror – aber er lebte. Aber Alex ließ weder sich noch Timi und schon gar nicht dem Geretteten Zeit, dieses Wunder zu genießen.
    » Steh auf, Kasi, los! Schnell!« Aber Kasimir wollte nur noch liegen, sich ausruhen und schlafen. Er zitterte und wo er lag, zeichnete nach wenigen Sekunden ein nasser Schatten die Umrisse des Jungen nach. Schlafen, dachte Kasi und überhörte Alex’ Worte, nur noch schlafen. Doch Alex ließ ihn nicht. Er packte Kasi unter den Armen und richtete ihn auf. »Du musst hüpfen. Komm, mach es so wie ich.« Der Griff, der Kasimir aufrecht hielt, lockerte sich, Alex hüpfte auf der Stelle und Kasi ging in die Knie.
    » Lass mich bitte«, flüsterte er, »lass mich schlafen.« Er drehte sich auf die Seite, klemmte beide Hände zwischen die Knie und schloss die Augen. Kasis Zähne schlugen gegeneinander, der ganze Körper zitterte, er aber spürte nichts von dieser Kälte, nur eine wohlige Müdigkeit, eine Schwere, die er so niemals für möglich gehalten hätte. Er fror nicht, jedenfalls nicht in sich drinnen. Dort gab es Wärme, Erinnerungen, die wärmten, Träume, die sich wie eine dicke Wolldecke ausbreiteten, eine von Mutter gehäkelte Decke, die nach Mutter roch und wärmte wie ihr Körper und …
    Alex drehte Kasi auf den Rücken, zerrte ihm das tropfnasse T-Shirt über den Kopf und gab es Timi.
    » Hier, wring es aus und leg es über eines der Fässer nebenan.«
    » Aber nicht auf meine Hose!«, schrie Max. Alex richtete sich auf. Max’ Hose und Unterhose – beides hatte er längst vergessen. Timi sollte sie mitbringen, so bekam Kasi wenigstens untenrum etwas Trockenes zum Anziehen.
    Max’ Kleidungsstücke fühlten sich klamm an, auch rochen sie nicht so, wie frisch gewaschene Wäsche riechen sollte. Aber egal, Kasi musste aus dem nassen Zeug raus. Alex befreite den Jungen von Hose, Unterhose und Socken, die Schuhe hatte er im Brunnen zurückgelassen. Mit dem eigenen Shirt trockneten sie Kasi notdürftig ab, zogen ihm unter Max’ Protestschreien dessen Hose an und schleppten ihn zur Wand, genau unter Kasis Bild von seiner kleinen, heilen Welt.
    » Wir müssen ihn irgendwie wärmen«, sagte Alex und sah sich um. Aber wie? Es existierte keine Feuerstelle, es gab keine Kleidungsstücke, die Kasis Zittern aufnehmen und wegwärmen konnten, nichts. Während Alex noch nachdachte, hatte Timi sich aber bereits erinnert, an das eigene Frieren und an das, was in solchen Fällen half wie sonst nichts auf der Welt. Timi legte sich neben Kasimir und nahm diesen in die Arme. Kein Blatt passte mehr zwischen beide Kinder.
    » Komm«, sagte Timi zu Alex, »leg dich auf die andere Seite.«
    Alex holte die herumliegenden Regenjacken, deckte damit Kasi und Timi zu und kroch zuletzt selbst unter diese Decke.
    » Zieh dein T-Shirt nach oben«, sagte er zu Timi, nahm Kasi in den Arm und drückte seine Brust gegen Kasis Rücken, schlang beide Beine um Kasimirs Beine.
    Nach zehn Minuten hörte Kasimirs Zittern auf. Die Lüge einer inneren Wärme verließ den Jungen, nahm die Gewichte aus seinen Gliedern und gab ihm sein gewohntes Empfinden zurück. Kasi spürte die Kälte tief in sich drinnen, gleichzeitig aber auch die Wärme aus den beiden anderen Körpern.
    » Danke«, sagte er.
    » Sei still«, sagte Alex leise.
    » Ohne euch wäre ich jetzt bestimmt schon tot.«
    » Ohne dich wäre ich tot«, antwortete Timi und schmiegte sich noch etwas näher an Kasimir. »Du hast mir das Leben gerettet.«
    Kasi erinnerte sich an die Sekunden vor seinem Brunnensturz. Ja, er hatte Timi das Leben gerettet, ständig retteten sie sich gegenseitig, einer den anderen wie richtige Freunde. Kasi versuchte ein Lächeln.
    » Ja, das hab ich wohl.« Kasi wusste, dass es ohne ihn keinen Timi mehr geben würde und er fühlte sich gut bei diesem

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