Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
Vom Netzwerk:
anschließend tonnenschwere Gewichte an sie gehängt. Jedes Mal, wenn Alex und Timi da oben wieder einen Schritt schafften und das Seil weitere zehn, zwanzig Zentimeter in die Höhe schwebte, verdoppelte sich das an Kasis Nägeln hängende Gewicht und nach dem dritten Schritt fand er nichts mehr, was er diesen Schmerzen und den Bleigewichten in seinem Innern entgegensetzen konnte. Die Füße des Jungen steckten noch im Wasser, da rutschte ihm das Seil durch die Finger. Zeitgleich mit dem Platschen unten im Brunnen fielen Alex und Timi auf den Rücken.
    » Kasi? Alles in Ordnung?«
    » Ja. Aber ich schaff das nicht. Ehrlich, ich hab’s versucht, aber es tut so weh und …«
    Max kicherte.
    » Warte, ja?« Wo soll ich denn hin? »Ich überleg mir was, Kasi. Wir holen dich da raus, versprochen.«
    Alex sah sich um. Der Kessel? Nein, selbst wenn er nach unten gepasst hätte, Kessel und Kasi würden er und Timi nie und nimmer wieder nach oben schaffen können. Nein, eine andere Lösung musste her, vielleicht so was in der Art, wie sie es im Fernsehen machten, wenn sie jemanden abseilten.
    » Kannst du dir das Seil unter den Armen durchziehen und vor der Brust verknoten?«, fragte Alex nach unten und erhielt ein Ich probier’s . Aber Kasis steife Finger schafften es nicht einmal, das Seil um den eigenen Oberkörper zu schlingen, geschweige sicher zu verknoten. Wie ein Hund im Wasser tretend, versuchte er es dennoch drei Mal, dann gab er auf.
    Alex aber hatte in der Zwischenzeit die Lösung gefunden, jetzt wusste er, wie sie Kasi nach oben bringen konnten. Er erklärte es Kasi, zog nebenher das Seil aus dem Schacht und, als es neben ihm im Staub lag, band er Max’ Stabtaschenlampe an das nasse Ende. Max protestierte, schimpfte und fluchte, aber außer ihm selbst nahm niemand davon Notiz. Selbst Timi dachte nur noch an Kasis Rettung. Einen Bruder? Hatte er jemals einen Bruder besessen? Sie ließen die Lampe nach unten.
    » Hast du sie?«
    » Ja«, antworte Kasi. »Und jetzt?«
    » Zieh sie richtig in die Mitte, sodass es wie ein T aussieht. Also eines, das auf dem Kopf steht. Hast du?«
    » Ja.«
    » Und jetzt setz dich drauf. Ein Bein rechts und eines links und halt dich gut fest. Warte, ich lass das Seil noch ein Stück weiter runter.«
    Kasimir schaffte es wie von Alex beschrieben auf Max’ Stabtaschenlampe. Er spürte die Rundungen des Metalls an seinen Oberschenkeln, umklammerte das vor seiner Brust aufsteigende Seil und wusste, dass er, sollte auch dieser Versuch scheitern, hier unten ertrinken dürfte. Unweigerlich sah er Max’ Gesicht in der Öffnung dort oben, wie Max sich freute und ihm beim Sterben zusah. Nur ein einziges Mal verschwand dieses Gesicht für ein paar Sekunden, als Max Steine aufsammelte, Steine, die er anschließend einen nach dem anderen auf den Ertrinkenden fallen ließ und dabei lachte. Nein, wusste Kasi, Max durfte nicht siegen und er wollte, sollte er denn sterben müssen, kein Maxgelächter als Begleitmusik! Kasi klammerte sich an das Seil, spürte das Rucken in diesem, registrierte, wie das Bergwasser Bauch, Beine und Füße freigab, wie er nach oben schwebte. Kein Max der Welt durfte triumphieren! Niemals.
    Niemals!
    Max’ Lampe stützte das Kind, der Gedanke an Max gab ihm Kraft. Meter um Meter zogen die Wände des Brunnens an Kasimir vorbei – Schatten nur, rau und böse. Immer wieder rutschte das Kind über diese Wände. Kasi versuchte, sich mit den Füßen abzustützen, mitzulaufen, aber nach spätestens zwei Schritten kippte er zur Seite und schlug mit Schulter und Gesicht gegen den Stein. Aber wenigstens kam er voran und während Alex und Timi an Kasis Befreiung arbeiteten und nach und nach im Durchgang zum Fässerraum verschwanden, beobachtete Max und wünschte sich ein Wunder. Oder wenigstens eine Spinne. Eine einzige kleine Spinne könnte seine Fesseln lösen, er selbst aufspringen, Alex einen Tritt verpassen und diesen samt Seil zu dem Mädchen in den Brunnen schicken und anschließend Timi mit beiden Fäusten zur Ordnung rufen. Aber die Spinnen schliefen oder aber sie wollten einfach nicht. Hatte er in ihren Augen versagt?, fragte sich Max und kannte auch die Antwort, als die braunen Haare des Mädchens aus dem Boden schwebten. Ja, er hatte versagt. Er hatte dieses Theater da nicht verhindert, im Gegenteil, erst mithilfe seiner Lampe konnte dies hier passieren, nur wegen ihm.
    Max rollte sich zur Seite, so, dass er das Bild an der Wand sah, das mit ihm als Spinne. Noch

Weitere Kostenlose Bücher