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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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ließ sie ein zweites Mal in den Brunnen hinunter. Selbst wenn Kasi ins Wasser gepinkelt haben sollte – was machte das noch? Ihn störte es nicht, jedenfalls nicht so sehr, dass er deswegen verzichten wollte. Er trank, gab auch Timi und Kasi etwas, dann löschte er die Lampe.
    Von seinen Freunden gewärmt, schlief Kasi fast augenblicklich ein und wähnte sich dabei im Bett seiner Eltern. Mutter und Vater wärmten ihren Schatz und Gott passte auf die kleine Familie auf. Kasi lebte, befand sich in Sicherheit und die Gefahr lag verschnürt am anderen Ende des Raumes. Timi folgte Kasis Beispiel und auch Alex schloss die Augen. Nur Max konnte nicht einschlafen, selbst, als er nichts mehr sehen konnte, sah er. Was er aber sah, hätte beunruhigender nicht sein können. Er musste etwas unternehmen.

37 Zwischen Himmel und Hölle

    Timis neuerlicher Verrat traf Max tiefer, als der es sich im ersten Moment der Ohnmacht und der Wut selbst einzugestehen bereit war. Trotzdem fand er alle nur möglichen Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des kleinen Bruders: Timi hatte Angst vor Alex, Max’ Geständnis hatte das Kind verwirrt oder – und dies schien Max der realistischste Grund – in Timis kleinem Kopf tickten nicht mehr alle Einzelteile im Gleichschritt. Timi war verrückt – so einfach konnte es manchmal sein. Ja, dachte Max und rollte sich auf die andere Seite, Timi wusste einfach nicht mehr, was richtig und was falsch war, wusste nicht mehr, was er tat. Er folgte einfach dem anscheinend Stärkeren, also Alex, dass ihn mit Max mehr als nur ein zufälliges Zusammensein hier verband – das hatte er wohl schlichtweg vergessen.
    Hatte Timis Verhalten etwas mit den Spinnen zu tun? Oder lag es nur an diesem Berg, der Dunkelheit und der Angst, die das Kind von innen her auffraßen? Hatte der Bruder sich ganz bewusst gegen das Richtige entschieden? Nein, das auf keinen Fall, so etwas würde Timi nie und nimmer tun, wusste Max, trotzdem wollte dieser Gedanke, einmal in seinem Kopf angekommen, einfach nicht mehr fort. Ein Bruder, der bei vollem Bewusstsein das Liebste auf der Welt verriet – nein, das konnte nicht sein!
    Und wenn doch?
    Plötzlich war Max hellwach, als habe jemand außerhalb seines Denkens einen Vorhang zurückgezogen und wie Sonnenstrahlen durch ein offenes Fenster, so fielen die Zweifel am Verhalten des kleinen Bruders in sein Bewusstsein. Er versuchte sich aufzusetzen, schaffte aber nur ein Knien mit nach hinten gezogenen Armen. Seine Zweifel schütteten kleine, verrückte Geister in Max’ Blutbahn, winzige Tröpfchen, die durch seinen Körper tobten, alles anstießen und weckten und zum nächsten Hafen schwammen, wo sie ebenfalls nichts als Aufregung und Lärm erzeugten. Max’ Herzschlag sprang nach oben, Schweißperlen liefen ihm in die Augen. Sollte Timi dies bei vollem Bewusstsein entschieden haben, dann, ja dann …
    Es gab einen Himmel und es gab folglich auch eine Hölle – die Spinnen hatten ihm beides verraten. Einen Himmel für die, welche zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen trafen und eine Hölle für den dummen Rest, der sich dem großen Willen verschloss. Zu letzterer Fraktion gehörten Max’ Meinung nach mit Sicherheit Rufus und Kasi, das Mädchen ganz besonders. Alex hätte Max bis vor ein paar Tagen – doch damals wusste er noch nichts von den Spinnen – der Himmelsfraktion zugeordnet, heute aber schien dies nicht mehr ganz so klar. Nach dem, was er sich in den letzten Stunden geleistet hatte, dürften die Spinnen Alex wohl doch eher für sich haben wollen, allerdings nicht (Himmel) als ihresgleichen, sondern (Hölle) als Fresspaket an der Decke. Nun gut, selbst schuld. Dummer Alex.
    Wie aber verhielt es sich mit Timi?
    Max’ Füße und Hände kribbelten. Die straff sitzenden Fesseln schränkten die Blutversorgung ein, drückten auf Sehnen und Nerven, aber in Max’ Fantasie hatte dies durchaus seine Richtigkeit so. Es kribbelte, als sei ein ganzes Ameisenheer in diesen Händen und Füßen unterwegs – ein ganzes Spinnenheer. Den Schutz der Dunkelheit nutzend, kamen sie die Wände herab und versorgten ihren Verbündeten mit neuem Leben. Wie sie in diesen Verbündeten hineinkommen konnten? Max stellte sich diese Frage nicht. Hier ging es um Spinnen, um DIE Spinnen und diese konnten alles, wirklich alles. Sogar Timi bestrafen, ob nun der Bruder des Verbündeten oder nicht.
    Halb bruder.
    Noch ein Argument gegen Timis Sicherheit.
    Wäre er selbst der Richter, er würde

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