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Apocalypsis 1 (DEU)

Apocalypsis 1 (DEU)

Titel: Apocalypsis 1 (DEU) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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Jeder von ihnen gelobte, für den Fall, dass er zum Papst gewählt würde, das Petrusamt in Treue auszuüben und unermüdlich die Freiheit des Heiligen Stuhls zu verteidigen. Aber vor allem schworen sie, strikte Geheimhaltung über die Wahl zu wahren und ihre Entscheidung unabhängig von äußeren Einflüssen zu treffen. Jedermann im Vatikan wusste, dass dieser Teil des Eides nur eine leere Formel war. Geheimhaltung und Unabhängigkeit hatte es in der zweitausendjährigen Geschichte des Papsttums noch nie gegeben.
    Die gesamte Papstwahl ruhte seit Jahrhunderten auf den drei Säulen Kardinalskollegium, Zweidrittelmehrheit und Konklave und galt als eines der stabilsten und ausgewogensten Wahlverfahren überhaupt. Das komplizierte Procedere war das Ergebnis jahrhundertelanger penibler Verbesserungen. Jede Vorschrift die Antwort auf einen Misstand, der einmal die Einheit der Kirche gefährdet hatte. Jeder Papst hatte das Verfahren an die Anforderungen seiner Zeit angepasst.
    Um 17.52 Uhr befahl der päpstliche Zeremonienmeister Erzbischof Arturo Cechi »Extra omnes!« Alle, die nicht zum Konklave gehörten, hatten die Sixtinische Kapelle nun zu verlassen. Die Tür zur Kapelle wurde von Bischof Cechi für die Dauer des Konklaves verschlossen und versiegelt.
    Die hundertachtzehn Kardinäle nahmen in zwei Reihen an den Längsseiten der Kapelle Platz. Vor jedem Platz stand ein Namensschild. Daneben lagen eine Bibel, das Büchlein Ordo rituum conclavis , das den Ablauf der Wahl beschrieb, weiße Blätter für Notizen und eine rote Ledermappe mit dem päpstlichen Wappen.
    Als die alten Herren in Purpur endlich ihre Plätze eingenommen hatten, erhob sich Kardinal Giovanni Sacchi, der in seiner Funktion als Camerlengo die Wahl leitete.
    »Liebe Brüder, ich begrüße euch zur Wahl unseres neuen Pontifex, die wir mit Gottes Hilfe und im Vertrauen auf Christus jetzt beginnen wollen. Gibt es zum Ablauf der Wahl noch irgendwelche Fragen?«
    Niemand meldete sich.
    »Dann werden wir gleich zum ersten Wahlgang schreiten.«
    Während drei zuvor aus den Reihen der Kardinäle ausgeloste Wahlhelfer die Wahlzettel verteilten, ließ Menendez seinen Blick über das versammelte Kollegium schweifen. Obwohl Wahlkampf und Werbung ausdrücklich verboten waren und wie ein Bruch der Geheimhaltungspflicht mit Exkommunikation bestraft werden konnten, wusste er, dass einige von ihnen, vor allem Alberti und Schiekel, nichts unversucht gelassen hatten, um über die Presse und direkte Gespräche ein günstiges Klima für ihre Wahl zu schaffen. Er selbst hatte bereits mit jedem einzelnen der hundertsiebzehn Kardinäle gesprochen und durch offene Versprechen und versteckte Drohungen seinen Anspruch auf das Petrusamt deutlich gemacht. Er hegte keinerlei Zweifel mehr, dass die meisten von ihnen seinen Namen auf ihren Zettel schreiben würden. Gerade deshalb wäre eine offene Bestechung verheerend gewesen. Menendez nahm sich vor, Stärke zu zeigen und sich wie ein Führer zu verhalten, wenn Seth ihn am Abend aufsuchen würde. Möglicherweise würde er ihn ja bereits als gewählter Papst empfangen können.
    Um zum Nachfolger Petri gewählt zu werden, war eine Zweidrittelmehrheit nötig. Menendez rechnete damit, dass er diese neunundsiebzig Stimmen möglicherweise nicht im ersten Wahlgang erreichen würde. Allerdings hatte es seit hundert Jahren kein Konklave mit mehr als fünfzehn Wahlgängen gegeben. Menendez hoffte auf eine zügige Wahl.
    Am ersten Tag des Konklaves waren zwei Durchgänge vorgesehen. Kandidatenlisten gab es nicht. Jeder Kardinal schrieb den Namen seines favorisierten Kandidaten mit möglichst verstellter, aber dennoch lesbarer Schrift auf einen vorbereiteten Zettel mit dem Aufdruck Eligo in Summurum Pontifecem  – Ich wähle zum Höchsten Pontifex . Die Zettel wurden zweimal gefaltet. Ihrer Rangfolge entsprechend traten die Kardinäle nun einzeln an den Altar. Menendez sah Kardinal Alberti, der seinen Wahlzettel deutlich in die Höhe hob, sich kurz zum Gebet niederkniete und mit dem Ausspruch »Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden sollte« seinen Zettel in die Urne steckte.
    Auf die gleiche Weise gaben alle Kardinäle nacheinander ihre Stimme ab. Anschließend wurde die Urne von einem Wahlhelfer verschlossen und gerüttelt. Zusammen mit den beiden anderen Wahlhelfern wurden die Stimmen ausgezählt, die Anzahl der Zettel mit der

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