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Apocalypsis 1 (DEU)

Apocalypsis 1 (DEU)

Titel: Apocalypsis 1 (DEU) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Giordano
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Amuletts im Gebet durch ihre Finger gleiten. Sie sah keine andere Möglichkeit, Peter zu finden. Und finden musste sie ihn, soviel war klar. Seit Peter in der Nacht spurlos verschwunden war, hatte sie kein Auge zugetan. Der zerstörte Tempel und Suite 306 schieden aus. Inzwischen wurden sie rund um die Uhr überwacht. Da sie keinerlei Anhaltpunkte hatte, wo Peter sich mit seinem Zwillingsbruder treffen würde, verfiel Maria auf eine Idee, die ihr im ersten Moment anmaßend und töricht erschien: Sie wollte die Heilige Jungfrau mit Hilfe des Amulettes um Hilfe bitten. Wenn sie ihr einmal erschienen war, warum dann nicht auch ein zweites Mal?
    Im Halbdunkel der Kapelle betete sie um das Leben des Mannes, den sie liebte. Die vierundfünfzig Perlen des Amuletts tropften durch ihre Finger wie das Blut Christi, den sie inbrünstig um Vergebung und Erlösung bat. Das Amulett war ihr inzwischen ein vertrauter Begleiter geworden, ein greifbarer Quell der Hoffnung und des Glaubens. Aber auch ein Quell des Schmerzes und der Verzweiflung, denn sie fürchtete sich vor den Bildern der Visionen. Sie fürchtete sich vor der Stimme der Heiligen Jungfrau, die sie verraten hatte, und sie fürchtete sich vor dem Tod. Dennoch blieb ihr keine andere Wahl. Atmen. Finden. Leben. Beten. Hoffen. Glauben. Bitten. Bis zum Salve Regina . Bis zu der Vision, die auch diesmal wieder mit furchtbaren apokalyptischen Bildern von Tod und Zerstörung einsetzte.
    Maria sah die sieben Schalen des Zorns, und sie waren leer. Ausgegossen über einer Welt, die in Flammen stand, zum Untergang verdammt. Sie sah einen Mann in einem Apartment in New York, der verzweifelt versuchte, ein besserer Mensch zu werden. Sie sah, wie er von Nikolas ermordet wurde. Sie folgte Nikolas hinaus aus dem Apartment, begleitete ihn durch die Straßenschluchten von Manhattan und weiter nach Santiago de Compostela, wo er einen Kardinal bestialisch folterte. Maria wollte die Augen verschließen vor diesem grauenhaften Bild, doch eine Stimme rief ihr zu: »Schau hin, Maria! Folge dem Tod!«
    Also riss sie sich zusammen, murmelte weiter ihre Gebete und erblickte nun weites Buschland. Eine Hyäne, die einsam um den Leichnam einer afrikanischen Schamanin herumstreunte, ohne sie jedoch zu zerfleischen. Maama Empisi. Irgendetwas schien die Hyäne aufzuschrecken, denn sie sah Maria plötzlich direkt an.
    »Fürchte dich nicht!«, sagte die Hyäne mit der Stimme der Heiligen Jungfrau. »Denn du bist nicht allein.«
    Maria erschrak über dieses gotteslästerliche Bild der Mutter Gottes als Hyäne, doch sie betete unbeirrt weiter.
    »Heilige Jungfrau, ich bitte dich!«, flüsterte sie. »Ich weiß, ich habe dich und meinen Glauben verraten. Aber ich bitte dich trotzdem. Vergib mir. Hilf mir, den Mann zu finden, den ich liebe. Und wenn es mein Tod wäre.«
    Ohne Antwort wandte sich die Hyäne ab und trottete zurück in den Busch. Das Bild verschwand und machte erneut Platz für Nikolas, der eilig durch das nächtliche Rom lief. Maria folgte ihm bis zu einem Gebäude, das ihr seltsam vertraut vorkam. Sie wollte Nikolas nachgehen, doch irgendetwas hielt sie davon ab. Sie blieb einfach auf der Straße stehen und wartete. Sie wartete, bis sie endlich begriff, dass sie Peter gefunden hatte.
    Blass und erschöpft wie nach einem unmenschlichen Kampf verließ Maria die Kirche und nahm sich ein Taxi.
    »Zum Cimitero del Verano ! Schnell! So schnell es geht!«
    Der Fahrer wunderte sich nicht darüber, dass die junge Nonne zum römischen Hauptfriedhof wollte. Er verkniff sich allerdings die Frage, warum sie es in ihrem Alter denn damit so eilig habe. Schimpfend lavierte er sein Taxi durch den römischen Verkehr und verbreitete sich nebenbei über die Wahlchancen der einzelnen Kardinäle wie über ein Sportereignis.
    »Was halten Sie von Kardinal Alberti? Den Turiner, den Juve-Fan. Glauben Sie, er kann den Spanier schlagen? Oder dieser Deutsche. Skiekel. Spricht man das so aus? Naja, mein Fall ist er nicht. Zu viel zack-zack, schnell-schnell. Obwohl ich den alten mochte, also den, der zurückgetreten ist. Der war gut. Aber nun braucht die Welt wieder einen Italiener als Papst, was meinen Sie? Ich hoffe, dass Alberti das Rennen macht, bloß nicht der Spanier. Ich habe hundert Euro auf Kardinal Alberti gesetzt.« Er lachte und skandierte einen Fußball-Schlachtgesang: »Juve, Juve! Alberti, Alberti!«
    »Geht das nicht schneller?«, drängte Maria.
    »Schwester, Sie sehen doch, was los ist! Rom steht Kopf!

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