Apocalypsis 1 (DEU)
von ihnen logierten in komfortablen Gästehäusern oder standesgemäß im luxuriösen Hotel Columbus an der Via della Conciliazione. Jeden Mittag lud Menendez die Neuankömmlinge zu einem Begrüßungslunch in den Apostolischen Palast, teils um sie kennenzulernen, hauptsächlich jedoch, um ihnen gleich nach ihrer Ankunft unmissverständlich seine Standpunkte zu den drängendsten Problemen der Kirche in dieser Krise mitzugeben. Mit einem Wort, er betrieb Wahlkampf.
An diesem Tag hatte er die Kardinäle von Toronto, Sevilla, Vilnius, Dublin, Maputo, Detroit und Paraná empfangen. Keiner von ihnen galt als Favorit bei der Wahl, umso wichtiger war es, ihre Herzen und Stimmen zu gewinnen. Kleine Versprechungen gehörten ebenso dazu wie subtile Warnungen vor »Falschen Entscheidungen« für die Diözese. Menendez wollte Führungsstärke demonstrieren und hatte keinerlei Skrupel, das Opus Dei ins Spiel zu bringen. 1928 von dem inzwischen heilig gesprochenen Spanier Josemaria Escrivá als Laienorganisation gegründet, hatte das knapp neunzigtausend Mitglieder starke Werk Gottes sich zu einem einschüchternden Machtzentrum mit immensen finanziellen Ressourcen innerhalb der katholischen Kirche entwickelt. Was nicht zuletzt an der großen Zahl von »Super-Numariern« lag, die siebzig Prozent der Mitglieder ausmachten. Diese Laien, die heiraten durften und regelmäßige »Freiwillige« Mitgliedsbeiträge zahlten, besetzten Spitzenpositionen in Politik, Industrie, Finanzwelt und Medien. Das Opus Dei war ein Kraftwerk der Macht und Menendez noch lange nicht dort, wo er hinwollte.
Zuvor musste er jedoch unbedingt Laurenz kaltstellen.
In seinem luxuriösen Büro empfing Menendez den Kommandanten der Schweizergarde zum Rapport. Während er selbst hinter seinem wuchtigen Mahagonischreibtisch sitzen blieb, ließ er den bulligen Schweizer die ganze Zeit über stehen.
Bühler legte Menendez die gescannte Kopie von Peters Pass vor. »Pater Luigi hatte heute Vormittag Besuch von einem Journalisten.«
Menendez warf einen Blick auf das Foto und den Namen und sah Bühler kalt an. »Wie ist es möglich, dass ein Journalist ohne Akkreditierung und ohne vorherige Kenntnis der Garde einfach so in den Vatikan hineinspaziert?«
»Verzeihen Sie, Eminenz. Wir wussten auch erst nach der Überprüfung des Mannes, dass er Journalist ist. Es schien sich um einen privaten Besuch zu handeln.«
»Eine Austreibung?«
»Möglich. Aber die Person war viel länger als üblich bei Don Luigi und wurde anschließend von einer der Schwestern zum Petrianus-Tor begleitet.«
»Ist das alles?«
»Nein, Eminenz. Don Luigi hat vor etwa einer halben Stunde das Geheimarchiv aufgesucht.«
Menendez merkte, dass sein linkes Auge anfing zu zucken. »Was, zum Teufel, sucht er da?«
Das Archivum Secretum Vaticanum, als Teil der Vatikanischen Bibliotheken am Cortile della Pigna gelegen, trug seinen Namen im Grunde zu Unrecht. Die Bezeichnung »Geheim« bedeutete nur, dass es sich ursprünglich um das Privatarchiv des Papstes gehandelt hatte. Die Dokumente, Handschriften, Protokolle, Verträge und Gerichtsurteile füllten fast 85 Kilometern an Regalen und umfassten einen ununterbrochenen Zeitraum von über achthundert Jahren Geschichte.
Das Archiv bestand aus zwei Lesesälen, die jedes Jahr rund tausendfünfhundert Gelehrte aufnahmen, einer internen Bibliothek, Werkstätten für Konservierung, Restaurierung und digitaler Reproduktion, einem Zentrum für Datenverarbeitung und einem Computersaal. Wirklich geheim war dort kaum noch etwas.
Zugang zum Archiv erhielten allerdings nur Forscher renommierter Universitäten, die sich strengen Regeln unterwerfen mussten. Für Notizen durften zum Beispiel nur Bleistifte verwendet werden.
Dennoch lagerten in dem Betonbunker tief unter dem Cortile della Pigna immer noch etliche brisante Dokumente, die die Kurie aus guten Gründen unter Verschluss hielt.
Menendez wusste, dass Don Luigi Zugang zu sämtlichen Bereichen des Archivs hatte. Eine hohe Auszeichnung durch den Papst, die Menendez immer misstrauisch gemacht hatte. Überhaupt hielt er den Chef-Exorzisten für einen der gefährlichsten Männer im Vatikan.
Etwas abseits an einem der Tische im restaurierten alten Lesesaal entdeckte er Don Luigi, über alte Dokumente gebeugt. Mit einem Bleistift machte er sich Notizen. Als Menendez vor dem Padre stand, sah er, dass es sich um Werke aus dem 19. Jahrhundert über Symbolik handelte.
»Seit wann interessieren Sie sich für
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