Apocalypsis 1 (DEU)
eines Nachfolgers, kommissarisch führen.
Dies alles regelt seit Jahrhunderten die Apostolische Konstitution Universi Dominici Gregis in allen Einzelheiten. Dieses apostolische Grundgesetz schreibt auch präzise das weitere Verfahren vor. Dabei wird prinzipiell nicht zwischen dem Tod des Papstes und seinem Amtsrücktritt unterschieden. Das päpstliche Siegel wird zerbrochen, die päpstlichen Gemächer versiegelt, und spätestens nach zwanzig Tagen muss nun das Konklave beginnen und ein neuer Papst gewählt werden.
Wann muss ein Papst überhaupt zurücktreten? Im Grunde gar nicht. Selbst ein schwerkranker Papst, der die Amtsgeschäfte nicht mehr führen kann, muss nicht zurücktreten, auch wenn dies, so Vatikanexperte Pater Luigi Gattuso, ein »Kanonischer Albtraum« wäre.
Rücktritte von Päpsten waren in der zweitausendjährigen Kirchengeschichte äußerst selten. Papst Gregor XII. trat 1415 unter dem Druck eines Gegenpapstes zurück. Als einzig freiwilliger Rücktritt gilt der von Coelestin V. im Jahr 1294.
Ein Grund für die Seltenheit päpstlicher Amtsverzichte mag sein, dass die Rolle eines »Altpapstes«, insbesondere in Beziehung zu seinem Nachfolger, in keinster Weise geregelt ist. Allgemein wird davon ausgegangen, dass ein zurückgetretener Papst sich in ein Kloster zurückziehen werde. Umso spannender bleibt die Frage, was Johannes Paul III. tun und ob er sich ganz aus der Kirchenpolitik zurückziehen wird.
Franz Laurenz, Arbeitersohn aus Duisburg, war ein ebenso streitbarer wie beliebter Papst. Der Zeitpunkt seines Rücktritts kommt zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Im nächsten Frühjahr wollte er mit dem Dritten Vatikanischen Konzil eine tiefgreifende Kirchenreform einleiten. Kirchlichen Hardlinern galt der »Rote Papst« längst als viel zu liberal. Zähneknirschend beklatschten sie seinen »Dialog mit dem Islam« und rügten hinter den Kulissen seine engen persönlichen Beziehungen zu ranghohen Mullahs und Imamen. Als der sportliche deutsche Papst bei seinem umjubelten Afrikabesuch im vergangenen Jahr schließlich erklärte, dass der Gebrauch von Kondomen nicht in Widerspruch zum katholischen Glauben stehe, löste er damit fast eine Kirchenspaltung aus. Gleichzeitig drohte er dem Bischof von Vancouver, ihn zu exkommunizieren, falls er seine Forderung nach einer Lockerung des Zölibats aufrechterhalte.
Seit seiner Wahl 2005 auf den Stuhl Petri hat Franz Laurenz polarisiert und wurde dennoch zum Hoffnungsträger vieler Katholiken für eine Erneuerung der Kirche. Mit zweiundsechzig Jahren einer der jüngsten Päpste überhaupt, hatte er sogar den Schneid, mit dem erzkonservativen und dem Opus Dei nahe stehenden Kardinal Antonio Menendez seinen schärfsten Kritiker zum Kardinalstaatssekretär zu ernennen. Zwar musste Menendez nun laut Kirchengesetz ebenfalls zurücktreten, gilt vielen Beobachtern jedoch als Favorit bei der anstehenden Papstwahl.
Es liegt nahe, dass hinter dem Rücktritt Johannes Paul III. möglicherweise weitaus mehr steckt als seine angebliche Demenz. Man muss davon ausgehen, dass hinter den verschlossenen Türen des Apostolischen Palastes ein handfester Machtkampf tobt.
Ob und in welcher Form der kämpferische »Altpapst« Laurenz zukünftig dabei noch eine Rolle spielen wird, bleibt abzuwarten. Immerhin besitzt er aus seiner Zeit als Vorsitzender der Glaubenskongregation noch eine Wohnung in Rom.
IV
1. Mai 2011, Vatikanstadt, Apostolischer Palast
D ie gefalteten Hände auf dem dunklen Holz der Gebetsbank waren gut manikürt. Dennoch waren es keine zarten Hände, im Gegenteil. Es waren regelrechte Pranken, grobe zerfurchte Hände, die zupacken konnten. Arbeiterhände. In ihrer Jugend hatten sie schwere Arbeit verrichtet und manches Mal hart zugeschlagen. Diese Hände hatten geboxt, geschweißt, geblutet und Segen gespendet. Hände, die nie zu ruhen schienen, außer im Gebet. Franz Laurenz war eine massige, männliche Erscheinung. Aber was Menschen, die dem Papst zum ersten Mal begegneten am meisten beeindruckte, waren immer seine Hände. Sie schienen ein eigenes Leben zu haben, diese Hände, begleiteten und verstärkten die Worte des Papstes, packten sie, rüttelten sie, klaubten Argumente auf wie reife Früchte, pressten sie zusammen, schleuderten sie seinen Gesprächspartnern entgegen oder ließen sie mit ungeahnter Zartheit fliegen. Und sie konnte zornig werden, diese Hände. Gestandene Kardinäle und Regierungschefs hatten schon gezuckt, wenn diese Hände sich in
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