Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
nur konsequent, ebenfalls abzutreten und dieses sinnlose Leben zu beenden. Er empfand keine Furcht, als er sich die Waffe in den Mund schob, nur Scham vor Gott, denn trotz seiner Existenz als Söldner war er ein gläubiger Katholik. Deswegen hatte er sich vor vielen Jahren die Triskele als Symbol der Dreifaltigkeit auf den Arm tätowieren lassen.
Aber wie bei jeder Operation lief auch diesmal nichts planmäßig. Am abgelegensten Ort, den er kannte, riss ein nackter Mann die Beifahrertür auf, setzte sich neben ihn – und kannte seinen Namen.
»Wer sind Sie, und woher zum Teufel wissen Sie, wer ich bin?«, fragte er den nackten Mann und hielt ihm dabei die Walther an die Stirn.
»Vielleicht legen Sie erst die Waffe weg«, sagte der Mann ruhig und sah ihm dabei ohne Angst in die Augen.
»Ihnen eine Kugel verpassen, das werde ich. Erst Ihnen und dann mir. Also, zum letzten Mal …«
»Mein Name ist Peter Adam.«
»Nie gehört.«
»Es ist kompliziert, aber nach allem, was ich in den letzten Tagen erlebt habe, vermute ich, dass Sie mich doch irgendwie erwartet haben. Mich und meinen Bruder Nikolas.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür hinter ihm und ein weiterer nackter Mann stieg ins Auto, der dem ersten zum Verwechseln ähnlich sah. Zwillinge. Wie auf Leonies Zeichnung. Bühler schwitzte jetzt und merkte, dass er zitterte. Er senkte die Waffe, ließ die beiden Männer aber nicht aus den Augen.
»Das ist Urs Bühler«, erklärte der Mann neben ihm seinem Zwillingsbruder.
»Ich glaub es nicht!«
»Erklärt ihr Komiker mir endlich, was hier los ist, bevor ich euch abknalle?«, knurrte Bühler.
»Ihr Name stand auf einem Zettel, den man uns gab«, versuchte der Mann, der sich Peter Adam nannte, zu erklären. »Ein Hinweis, den wir nicht deuten konnten. Und dann sah ich vorhin die Triskele auf ihrem Arm. Ich weiß, es klingt absurd, aber …«
Bühler reichte Peter Adam schweigend die Buntstiftzeichnung, die Leonie ihm noch zwei Tage vor dem Abflug aus Frankfurt geschickt hatte. Ihre letzte. In der Mitte war er selbst zu erkennen. Als Sonne. An jeder Hand hielt er einen nackten Mann. Die beiden sahen fast gleich aus, was für Leonie ungewöhnlich war. Er schien die beiden Männer zu einem seltsamen, kreuzförmigen Objekt zu führen, das Leonie nicht richtig hingekriegt hatte. Sie hatte es immer wieder umgezeichnet, bis es kaum noch zu erkennen war. Über allem leuchteten zwei Symbole wie seltsame Monde. Das eine war ein blauer Doppelkreis, das andere eine orangefarbene Triskele, wie die Tätowierung auf seinem Arm. Am oberen Rand des Bildes flog ein kleines krakeliges Flugzeug aus dem Bild.
Peter Adam reichte die Zeichnung weiter an seinen Bruder.
»Wissen Sie, was das für ein Objekt ist, da in der Mitte?«, fragte Bühler.
»Das ist ein Tesserakt«, sagte Peter Adam. »Ein vierdimensionaler Würfel in entfaltetem Zustand. Wer hat diese Zeichnung gemacht?«
»Meine Schwester Leonie.«
Peter Adam wirkte überrascht. »Sie haben noch eine kleine Schwester?«
»Sie ist achtunddreißig … war. Sie ist tot.«
»Wann hat sie dieses Bild gemacht?«
»Vor etwas über einer Woche, denke ich.«
»Wie ist Ihre Schwester gestorben?«
»Flugzeugabsturz. Vor einer Woche.«
Bühler sah das Entsetzen in den Augen des Mannes neben sich. Auch sein Bruder auf dem Rücksitz stöhnte auf.
»Meine Frau und meine Tochter waren ebenfalls in der Maschine«, sagte Peter Adam.
Bühler schwieg. Starrte auf Leonies Zeichnung, ihren letzten Traum, den sie für ihn gemalt hatte, und kämpfte gegen die Tränen an. Auch die beiden nackten Männer sagten nichts. Bühler merkte, dass er immer noch die Waffe in der Hand hielt. Er legte sie zurück ins Handschuhfach und stieg aus. Starrte hinauf zum Mond, der gerade hinter den Pinien versank, und versuchte, irgendeinen Sinn in allem zu erkennen. Im Laufe der Jahre hatte er viele absurde Situationen erlebt, Zufälle, die ihm nie jemand glauben würde. Doch dies hier war mit Abstand die unwahrscheinlichste Koinzidenz seines Lebens. Leonies Abschiedsgruß und Botschaft an ihn, weiterzuleben. Bühler stöhnte und setzte sich dann zurück ins Auto.
»Meine Schwester Leonie hatte das Downsyndrom«, erklärte er, ohne einen der Zwillinge anzusehen. »Ich habe sie in den letzten Jahren nicht oft gesehen. Sie lebte in einer Einrichtung bei Frankfurt. Aber sie hat mir oft Bilder geschickt. Ihre Träume. Manchmal schöne Träume, aber oft auch Träume, die ihr große Angst machten.
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