Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
Bett.
Der Moment seiner Auferstehung.
Als er wusste, dass er nun der Löwenmann war.
Dieser Gedanke erheiterte ihn jedes Mal. Er war nun der Löwenmann, er trug die Fackel des Schmerzes und des Hasses weiter. Petrus II. II. hatte den Falschen getötet.
»Fick dich, Maria!«, sagte er jetzt laut und leckte sich das Blut von den Lippen, das aus seinen Haaren über sein Gesicht rann. Blut bedeckte seinen ganzen nackten Körper, bildete kleine Seen in Hautfalten und Körpermulden und verkrustete unter seinen Fingernägeln. Das Blut rann von den Wänden, der Decke und über den Boden der kleinen, hübschen Wohnung. Blut von vier Menschen, eines Mannes, einer Frau und zwei Kindern. Hanson hatte die Frau und die Kinder betäubt, gefesselt, geknebelt, mit einem Dolch gehäutet, kreuz und quer aufgeschlitzt und buchstäblich in Stücke gerissen. Alles vor den Augen des Mannes, den er als Letzten getötet hatte. Ihr Blut, die Fetzen ihrer Eingeweide und Gliedmaßen hatte er in der ganzen Wohnung verteilt, einfach weil es ihm so gefiel. Er war der Löwenmann, er hatte die Macht dazu.
Hanson saß entspannt auf einem Stuhl und genoss den Anblick und den Geruch des Todes. Draußen hupte ein Auto, irgendwo weinte ein Baby. Sonst kaum Geräusche. Mittag in Har Choma, einer freundlichen, ruhigen israelischen Siedlung auf palästinensischem Gebiet mit ausreichend Wasser, gepflegten Gärten und kleinen Geschäften. Der Mann, den Hanson mitsamt seiner Familie in aller Stille niedergemetzelt hatte, hieß Shimon Kohn. Ein häufiger Name in dieser Stadt, und bereits Hansons vierter Kohn auf der Liste. Wie es aussah, der Richtige.
Es klingelte an der Wohnungstür. Ohne Eile erhob sich Hanson, warf einen Blick durch den Türspion und öffnete. Draußen im Flur wartete ein blasser, weiß gekleideter Junge.
»Das Licht sei mit euch, Meister«, sagte Hanson und verbeugte sich tief. Der Junge trat ein, ohne den Gruß zu erwidern. Mit ihm wehte der Geruch von Baldrian und Zimt herein, wie der Staub der Wüste, und erfüllte im Nu die ganze Wohnung. Nachdem Hanson die Tür wieder geschlossen hatte, zog der Junge sich einen dünnen Plastikoverall mit Kapuze über, den Hanson ihm reichte. Er wirkte dabei wie ein ganz normales, vielleicht etwas zu ernstes Kind, das sich verkleidete. Der Junge watete durch die Blutpfützen und sah sich die Wohnung gründlich an. Wie ein Elektriker, der den Sicherungskasten sucht. Er kniete vor Shimon Kohns abgeschnittenem Kopf nieder und sah ihm in die erloschenen Augen, als erwarte er noch eine Antwort.
»Hat er geredet?«
»Nein, Meister. Er hat zugesehen, was ich mit seiner Frau und seinen Kindern gemacht habe, aber er hat die ganze Zeit geschwiegen.«
Raymond nickte, als habe er nichts anderes erwartet.
»Zeig mir, was du gefunden hast.«
Hanson reichte ihm eine kleine Bleistiftzeichnung, die er auf einer Kommode neben einer Reihe Familienfotos entdeckt hatte. Sie zeigte den Mann mit seiner Familie und einer weiteren Frau am Rande. In der Zeichnung trug Shimon Kohn ein Amulett um den Kopf wie ein Stirnband. Das Medaillon in der Mitte zeigte das alchemistische Symbol für den Stein der Weisen.
»Er könnte es also sein, Meister.«
»Wo ist das Amulett?«
Hanson schüttelte den Kopf. »Ich hab die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt.«
Der Junge sah sich die Zeichnung genau an und wanderte mit ihr durch die besudelte Wohnung.
»Es ist die einzige Zeichnung in der ganzen Wohnung«, sagte er, als er seinen Rundgang beendet hatte. »Also wird niemand aus der Familie sie gemacht haben. Das hat ein Erwachsener gezeichnet. Das Papier wirkt neu, die Kohlestriche sind nicht verwischt. Diese Zeichnung ist erst kürzlich angefertigt worden. Von wem wohl?«
»Von dieser Frau am Rand, Meister?«
Der Junge reichte Hanson die Zeichnung zurück.
»Finde sie.«
»Und was ist mit all den anderen Kohns?«
»Finde diese Frau, Hanson«, sagte der Junge mit einer Stimme so sanft und nachdrücklich, wie ein Luftzug eine Tür zudrückt. »Sie wird uns zu dem führen, was ich suche.«
XVI
19. Juli 2011, Sant’Anna dei Palafrenieri, Vatikanstadt
Nacht, Gewölk und Dunkelheit,
verworrenes Chaos dieser Welt,
das Licht erscheint, der Tag erhebt sich,
weichet! Christus naht.
So soll, was in uns dunkel ist,
was schwer uns auf dem Herzen liegt,
aufbrechen unter deinem Licht
und sich öffnen, dir, Herr und Gott.
Dir, Christus, Herr und Gott, samt dem Heiligen Geist, dem Tröster,
sei Lob und Dank,
jetzt und in
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