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Apocalyptica

Apocalyptica

Titel: Apocalyptica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Graute
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Leder und eine Kapuze mit breitem Kragen vervollständigten Naphals Reisegewand. An dem Gürtel um seine Taille hingen ein paar Beutel und Taschen mit nützlichen Kleinteilen. So ausgestattet schlich der junge Adelsspross durch die verwaisten Tunnel von Cordovas Unterstadt dem Ausgang entgegen. Gerade noch rechtzeitig entging er den Blicken zweier Wachen, die ausgerechnet in dem Moment ihren Wachwechsel vollzogen, als Naphal einen weiten Platz überqueren musste, um in den nächsten Tunnel zu gelangen. Ein unsachgemäß abgestelltes Fahrzeug einer der Manufakturen rettete den Jungen vor einer Tracht Prügel, die sich gewaschen hatte, wie Naphal aus Erfahrung wusste. Die Wachen waren nicht dafür bekannt, sanftmütig zu sein, nicht einmal, wenn es sich um den Sohn ihrer Herrin handelte. Im Gegenteil, nach einem letzten Zusammentreffen hatte Naphal sich gefreut, es seinen Peinigern heimzahlen zu können, indem er seiner Mutter von dem Vorfall erzählte. Sehr zu seinem Leidwesen hatte Isabella jedoch nicht nur das Handeln ihrer Wachen gelobt, sondern das ohnedies schon malträtierte Hinterteil ihres Sohnes noch zusätzlich versohlt. Seither mied Naphal jegliches Zusammentreffen mit Isabellas Garde, so gut es eben ging.
    Als Nächstes galt es, einen der Zugänge in das marode Lüftungssystem der Unterstadt zu finden und sich irgendwie einen Weg nach draußen zu suchen. Leider stellte sich dieses Unterfangen als schwieriger heraus, als der Junge erwartet hatte. Noch wenige Wochen zuvor waren viele der Gitter, die er jetzt Stück um Stück aufsuchte, durchgerostet und lose gewesen. Jetzt hatten fleißige Hände die notwendigsten Reparaturen vorgenommen und die Zugänge versiegelt. Vermutlich, weil sie Angst hatten, die Traumsaatinsekten könnten sich einen Zugang in die Unterstadt erschleichen, mutmaßte Naphal. Zunächst glaubte der Junge, er könne sich mit einem Werkzeug aus einer seiner Taschen an einem der Gitter zu schaffen machen. Außer ein paar Kratzern auf dem kühlen Metall der Umrandung und einem blutenden Finger brachte ihm das aber nichts ein, so dass ihm die Lust auf weitere Versuche schnell verging. Es half nichts, er musste sich wohl oder übel einen anderen Weg aus seinem Gefängnis suchen. Derzeit jedoch hatte er keine Ahnung, wie er den Wachen am Ausgang entgegentreten sollte. Er wusste, dass die herrische Art seiner Mutter auch in ihm schlummerte, doch bezweifelte er, dass er mit seinem knappen Meter Körpergröße dieselbe Autorität ausstrahlte wie die große Isabella von Cordova.
    Während er ein gutes Stück des Wegs zurück in Richtung der Haupttunnel schlich, sann er fieberhaft nach einem anderen Plan zu entkommen, der ein Zusammentreffen mit der Garde ausschloss. Er musste sich beeilen. Zwar schien er der einzige Frühaufsteher in ganz Cordova zu sein, doch waren manche Arbeiter des Kollektivs gezwungenermaßen bereits auf den Beinen. Sollte sich seine Flucht um eine weitere Stunde verzögern, würde er bis zum nächsten Tag warten müssen, und das wollte er auf gar keinen Fall. Vielleicht konnte er sich ja in einem der Fahrzeuge verstecken, die regelmäßig den Komplex verließen, um draußen wichtige Dinge zu erledigen. Warum die es durften und sonst keiner, wollte Naphal nicht recht einleuchten. Vielleicht mochte seine Mutter die Leute nicht so gern, und es machte ihr daher nichts aus, wenn sie gefressen wurden oder was auch immer es war, das alle so in Angst versetzte. Nestor hatte ihm in einer seiner zahlreichen völlig übertriebenen Geschichten einmal von einer Begegnung mit einem Traumsaatding erzählt. In der Geschichte wäre Nestor beinahe aufgefressen worden. Vielleicht passierte das ja immer, wenn man mit Traumsaat zusammentraf, und deshalb hatten alle Angst. Naphal zuckte die Achseln und beschloss, diesen Teil seiner Überlegungen auf später zu vertagen.
    Unterdessen war er an der langen Rampe angekommen, die es Fahrzeugen ermöglichte, aus der Unterstadt an die Oberfläche zu gelangen. Hier unten am Fuß der Rampe konnte der Junge niemanden ausmachen, war sich aber sicher, dass es oben am Tor ganz anders aussah. Auf dem steilen Weg gab es keine Möglichkeit, sich ungesehen fortzubewegen. Die Stahlplatten am Boden machten außerdem einen Riesenlärm, wenn man auf sie trat. Zumindest, wenn man eines der schweren Fahrzeuge war, daran konnte er sich noch gut erinnern. Bei seiner ersten Fahrt in einem der Wagen hatte er sich gehörig erschreckt, als sie die Rampe hinaufgefahren waren.

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