Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apocalyptica

Apocalyptica

Titel: Apocalyptica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Graute
Vom Netzwerk:
mit einer geringen Anzahl von gut ausgebildeten Templern und ohne Unterstützung durch die himmlischen Boten die Ordenshauptstadt halten zu können. Doch Equester sorgte sich im Augenblick weniger um einen Angriff von außen als vielmehr um den Feind im Inneren. Die Geduld und Leidensbereitschaft der Bevölkerung Nürnbergs wurde dieser Tage auf eine mehr als harte Probe gestellt. Nahrungsmittel waren rationiert, die Bewegungsfreiheit durch klare Ausgangssperren geregelt, und das Militär kontrollierte Zu- und Abgänge von Händlern und sonstigen Reisenden. Es stand schlecht um die Zufriedenheit der Bürger. Wenn sie erfuhren, dass ein Großteil der Exekutive die Stadt verließ, mochten sie durchaus auf dumme Gedanken kommen und sich erheben. Equester hoffte, seine Herrin habe all diese Überlegungen schon selbst angestellt und werde entsprechend reagieren. Durch gute Informationspolitik und indem man an den entsprechenden Stellen den einen oder anderen Bürgervertreter ins Vertrauen zog, konnte man sicher viel Boden gut machen und das Volk auf seine Seite ziehen. Immerhin ging es ja um die finale Schlacht und nicht um das diesjährige Fischerstechen.
    Equester war inzwischen in der Garnison des Templerordens im Zentrum der Stadt angekommen. Eine Unmenge von Armaturas hatte sich bereits in den engen Räumlichkeiten eingefunden, die für diesen Zweck nicht vorgesehen waren und entsprechend aus allen Nähten zu platzen schienen, und noch immer drängten Offiziere des gabrielitischen Heeres in den Besprechungsraum.
    Nachdem der Kustos beschlossen hatte, dass sich nun ausreichend Anführer eingefunden hatten, um seine Befehle zu hören und an andere weiterzugeben, hob er die Arme, um dem tosenden Stimmenwirrwarr Einhalt zu gebieten. Es dauerte allerdings einige Zeit und bedurfte der einschüchternden Rufe derjenigen dienstbeflissenen Armaturas, die dichtgedrängt in der Nähe Equesters standen, bis sich sein Wunsch in die Tat umsetzen ließ.
    Als Ruhe eingekehrt war, richtete Equester das Wort an die umstehenden Anführer. „ Geschwister . Ihr alle wisst, schwere Zeiten liegen vor uns. Die finale Schlacht steht bevor, und es hätte wohl keinen schlechteren Zeitpunkt geben können. Die Ewige Stadt ist vom Glauben abgefallen, und diejenigen, auf die wir unsere Hoffnungen gesetzt haben, haben zu wenig Macht oder sind zu wenige, um die Dinge wieder geradezurücken. Doch die Em ist weise in ihrem Ratschluss, und der Erzengel schenkt ihr die Kraft und die Weitsicht, für uns in dieser schlechten Zeit ein leuchtendes Beispiel zu sein. Aus diesem Grund stehe ich nun hier vor euch, um in der Zeit der Not euren Treueeid Gabriel und unserer Em gegenüber zu erneuern.“
    Begeisterte Jubelrufe ließen die Trommelfelle Equesters erbeben und zauberten ein Lächeln auf seine Züge, die in letzter Zeit wenig Freude gekannt hatten. Mit dröhnender Stimme setzte er seine Ansprache fort. „So sprecht mir nach, ihr Recken, die ihr rein im Herzen seid und das Licht in euch tragt.“ Der Kustos legte den Kopf in den Nacken und faltete die Hände zum Schwingengruß der Angeliten, indem er die Daumen aneinanderlegte und die Finger weit spreizte, so dass sie aussahen wie Flügel eines Vogels. „Oh Herr, unser Gott, wir, die Diener deines Willens, Kinder des mächtigen Gabriels, Vollstrecker deines himmlischen Zorns, der du alles gleichmachst, höre unseren Schwur …“
    Hunderte von Kehlen formten nach und nach dieselben Worte und fielen in den monotonen Singsang, den Equester von Tübingen angestimmt hatte, ein. Jeder der Anwesenden hatte diesen Schwur mindestens einmal in seinem bisherigen Leben geleistet, nicht wenige riefen ihn sich insgeheim vor einer Schlacht wie ein Mantra immer und immer wieder ins Gedächtnis, und keiner der anwesenden Armatura würde ihn jemals vergessen. Der Chor schwoll an, während Worte über Lippen flossen wie kühlender Wein, der Wunden betäubte und Sorgen und Nöte in den Hintergrund drängte. Die Offiziere berauschten sich an der Bedeutung des Schwurs für jeden einzelnen, aber auch für die gemeinsame Sache. Viele von ihnen waren im Laufe ihrer militärischen Karriere zu harten und unerbittlichen Kämpfern und Entscheidern geworden. Sie hatten oft mit unangenehmen Situationen leben müssen, und so manch einer ihrer Schutzbefohlenen war dabei auf der Strecke geblieben. Meist für ein höheres Gut, manchmal aber auch aufgrund von Fehlern. In diesem Augenblick jedoch stand ihr Zusammenhalt im Vordergrund.

Weitere Kostenlose Bücher