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Apple - Die Geburt eines Kults

Apple - Die Geburt eines Kults

Titel: Apple - Die Geburt eines Kults Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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im Santa Clara Valley auf und ab streunte. Er merkte, dass es seine Schüler früher oder später schafften, ungefähr ein Drittel von allem zu zerstören, was er ins Klassenzimmer brachte. „Onezees“ – so nannten die Elektronikhändler abschätzig Bestellungen unter 50 Stück – brachten also nichts. McCollum oder vielmehr seine Schüler handelten im großen Stil.
    Glücklicherweise waren die Kunden der Elektronikfirmen so penibel, dass sie manchmal anscheinend mehr Teile ablehnten als letztlich mitnahmen. Sie weigerten sich, einen Transistor zu kaufen, dessen Typenbezeichnung verwischt war, oder einen Widerstand, dessen Anschlussdrähte nicht gerade waren, oder einen Kondensator, in dessen Farbe eine kleine Blase war. Seinen größten Coup landete McCollum, als ihm Raytheon 9.000 Transistoren schenkte (die damals 16 Dollar das Stück kosteten), die ein Bauteile-Prüfingenieur bei der NASA für qualitativ zu schlecht hielt, um sie auf den Mond zu schicken. Es gab noch mehr bemerkenswerte Trophäen, und einige davon stammten aus einem Lager, das Hewlett-Packard in Palo Alto betrieb. Es war Hewlett-Packards Version eines Heilsarmee-Ladens, vollgepackt mit gebrauchten und überschüssigen Testgeräten, in denen Highschool-Lehrer herumwühlen durften. McCollum ging dort regelmäßig hin und brachte manchmal teure Zweistrahl-Oszilloskope und Frequenzzähler mit. Innerhalb weniger Jahre und bis zu der Zeit, als Stephen Wozniak – und später Steven Jobs – in den Kurs Electronics 1 kamen, war das Klassenzimmer F-3 zu einem Miniatur-Magazin geworden. McCollum hatte so viele Prüfeinrichtungen angesammelt, wie es im nahe gelegenen De Anza Community College gab. Im Vergleich zu dem Bestand der Homestead High School hätten manche Elektroniklabore benachbarter Highschools genauso gut in Obervolta liegen können.

    Für die besseren Schüler und für diejenigen, die zu Hause gedrillt worden waren, waren viele Projekte von McCollum alte Hüte. Die formale Theorie allerdings nicht. Elektronik 1, 2 und 3 wurden Stephen Wozniaks wichtigstes Highschool-Fach, 50 Minuten am Tag, an allen Tagen der Woche. McCollums Unterricht errichtete außerdem eine eindeutige Grenze zwischen elektrischen und elektronischen Systemen. Für die Schüler war das kein bloßer semantischer Unterschied; es war das, was die Jungs von den Männern unterschied. Elektrische Vorrichtungen waren Dinge aus Spielzeugkästen, die aus Batterien, Schaltern und Glühlampen bestanden. Die Elektronik war eine wesentlich höher angesiedelte Berufung, eine Reise in die Welt der Technologie, in das ätherische Reich der Physik. Sie war dem eigentümlichen Verhalten des mächtigen und unsichtbaren Elektrons gewidmet. McCollum stand im Strickpullover vor der Klasse und bläute ihr die Theorie der Elektronik ein. Er gab derart regelmäßig Geschichten und Sprüche über die 20 Jahre zum Besten, die er in der Navy verbracht hatte, bevor er sich verärgert verabschiedet hatte, weil eine Vorschrift verlangte, dass Piloten, die nicht so häufig fliegen, nur in Begleitung fliegen, dass einige Schüler anfingen, den Lieblingsgeschichten Code-Nummern zu geben. McCollum fummelte an seiner Brille herum, setzte sie auf, setzte sie wieder ab und steckte sie in ein geädertes Plastiketui, das hinter den Stiften in seiner Hemdtasche steckte. Er fing mit der Theorie an und nannte dann Anwendungen. Die Schüler wurden durch das ohmsche Gesetz, die elektrische Leistungsgleichung, einfache Schaltungen, Magnetismus und Induktanz geführt. Sie merkten, dass die Lektionen haften blieben, wenn sie aufpassten, und dass ihr Lehrer Samen pflanzte, die stetig sprossen. Sie lösten einfache Gleichungen, schalteten Widerstände in Serie und parallel und sahen zu, wie sich Kondensatoren aufluden. Sie bauten Netzgeräte und Verstärker und lernten, mit Wechselstrom und Gleichstrom umzugehen.
    Außerdem war McCollum auf dem Gebiet der Qualitätssicherung aktiv. Als die Schüler ihre Radios fertig gebaut hatten, verschwand er in seinem Lagerraum, baute ein paar falsche Teile ein und drängte sie, den Fehler eher mit dem Verstand als mit den Augen zu suchen. „Ihr müsst das durchdenken können“, sagte er immer wieder. Eifrige Schüler brachten die Geräte mit, die sie in ihren Zimmern und Garagen gebaut hatten, damit McCollum sie überprüfte. Mit einem Schraubenzieher klopfte er auf lose Teile und wackelte an Lötstellen herum wie ein grober Zahnarzt. Einmal kritisierte er einen Drehknopf an

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