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Apple - Die Geburt eines Kults

Apple - Die Geburt eines Kults

Titel: Apple - Die Geburt eines Kults Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moritz
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machten Wozniak mit einem Compiler vertraut; das ist die Software, die Befehle, welche in einer Programmiersprache aus normalen Buchstaben und Zahlen eingegeben werden, in eine binäre Maschinensprache umwandelt, die der Computer verarbeiten kann. Wozniak war überrascht. „Ich wusste nicht, dass der Compiler ein Programm ist. Ich hatte gedacht, ein Compiler wäre ein Gerät, und ich zeigte immer auf Kisten und fragte: ‚Ist das der Compiler?‘“ Die Programmierer von Sylvania lösten auch das Problem, auf das er gestoßen war, als er einen Rechner konstruierte, der große Zahlen multiplizieren konnte. Aber den beiden Teenagern war das Programmieren lieber als die Unterweisungen.
    Sie schrieben Programme in FORTRAN, stanzten sie auf dünne Karten und steckten sie in den Kartenleser. Sie benutzten den Computer, um Zahlen in hohe Potenzen zu erheben, und sahen zu, wie der Drucker die Ergebnisse ausdruckte. Sie suchten nach Primzahlen und berechneten Quadratwurzeln auf Dutzende von Stellen genau. Außerdem arbeiteten sie an einem Programm mit, das einen Springer auf einem Schachbrett springen ließ, wobei er bei jedem Zug auf einem anderen Feld landete. Als sie das Programm zum ersten Mal laufen ließen, passierte nichts. Der Computer machte keinen Finger krumm, während die Klimaanlage brummte und surrte. Sie schrieben das Programm um und gaben dem Computer die Anweisung, nach jedem abgeschlossenen Zug des Springers seine Fortschritte zu melden. Die ersten zwei Dutzend meldete er recht schnell, dann wurde er langsamer, und schließlich hörte er auf.
    Ein Programmierer von Sylvania erzählte den beiden von einer mathematischen Abkürzung, mit der man abschätzen konnte, wie lange das Programm brauchen würde, um eine Lösung für den Zug des Springers zu liefern. Wozniak probierte das Verfahren aus und war von der Antwort enttäuscht: „Ich rechnete aus, dass es zehn bis 25 Jahre dauern würde, eine einzige Lösung zu finden. So lange wollte ich aber nicht warten.“ Nachdem Wozniak ein paar Monate bei Sylvania verbracht hatte, ließ ihn McCollum vor einem Elektronikkurs der Homestead High School einen Vortrag über Computer halten: „Das war ein guter Vortrag. Er hatte nur einen Fehler: Er hätte ihn eigentlich vor Studenten im zweiten Collegejahr halten müssen.“

    Die Besuche in Sylvania, das Privileg, einen Computer benutzen zu dürfen, und die Brocken, die die Programmierer fallen ließen, stellten nicht nur den Höhepunkt von Wozniaks Woche dar, sondern sie zogen auch andere Aktivitäten nach sich. Zusammen mit Baum ging er zum Stanford Linear Accelerator Center, dessen Zweck weitaus strenger war, als das unglückliche Kürzel SLAC [„slack“ bedeutet unter anderem „lasch“, „entspannt“ und „Durchhang“] vermuten lassen könnte. Das Interesse der beiden galt allerdings nicht den Elektronen, die durch eine zwei Meilen lange Betonstrecke gefeuert wurden, die wie ein Spieß unter der Interstate 280 und den Feldern um Woodside herum verlief. Vielmehr gingen sie zu den Verwaltungsgebäuden des SLAC, die auf einem Hügel lagen, der Palo Alto und den Hoover Tower der Stanford University überblickte. Dort schlichen sie um den Computerraum herum und inspizierten den IBM 360 des SLAC, einen Mainframe-Computer, der Ende der 1960er-Jahre den Eckpfeiler der IBM-Reihe bildete. Sie durften einen Kartenstanzer des SLAC benutzen, um Programme zu erstellen, die sie später auf dem kleineren IBM-Computer bei Sylvania laufen ließen.
    Am verlockendsten war allerdings die Bibliothek. Samstags und sonntagsnachmittags durchstöberten die beiden die Stapel, lasen Zeitschriften und blätterten Computerhandbücher durch. Es gab auf der Halbinsel nur wenige Orte, an denen man reichere Beute machen konnte. Die SLAC-Bibliothek hatte großformatige Zeitschriften für Programmierer und Ingenieure abonniert: Datamation , Computerworld , EDM und Computer Design . In den meisten Zeitschriften gab es Postkarten, auf denen die Leser ankreuzen konnten, von welchen Unternehmen sie Informationen haben wollten. Schon bald quoll der Briefkasten der Wozniaks vor schweren Umschlägen über, die Broschüren, Produktbeschreibungen und Handbücher einiger neuerer Computer enthielten. Auf den Umschlägen standen Namen wie Digital Equipment Corporation, Data General, Scientific Data Systems, Datamate, Honeywell und Varian. Fast alle diese Unternehmen stellten Minicomputer her, also verkleinerte Versionen der zimmergroßen

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