Apple - Die Geburt eines Kults
neue Bauteile, Dutzende von Magazinen und Handbüchern und auch die Walkie-Talkies für 18 Dollar, die sich Wozniak von den 35 Cent Essensgeld auf der Junior High School absparte. Sie gewöhnten sich an, Geschäfte von Radio Shack zu meiden, weil sie die dortigen Teile für minderwertig hielten. Radio Shack mit seinen grellen Neonschildern war die letzte Zuflucht, dort gingen sie nur spätabends hin, wenn alle anderen Läden geschlossen waren.
Sunnyvale Electronics, Radio Shack und andere Geschäfte wie zum Beispiel Solid State Music wurden von Haltek in den Schatten gestellt. Haltek befand sich in einem hellbraunen Gebäude in Mountain View, das einen ganzen Block gegenüber den kolossalen Hangars belegte, die die Navy in den 1930er-Jahren für Luftschiffe gebaut hatte. Von außen sah es aus wie eine Armeekantine. Innen war es ein Elektronik-Schrottplatz, der wie alle Schrottplätze eine Kreuzung zwischen Friedhof und Entbindungsstation war. Das Feilschen am Tresen und die dicken Bauteilkataloge in Ordnern mit Stahlfedern illustrierten die Gesetze von Angebot und Nachfrage in der Welt der Elektronik. Einige Artikel – normalerweise kleine, billige Teile – waren nagelneu, aber normalerweise dauerte es ein paar Monate, bis die neuesten Teile zu Haltek durchsickerten. Dafür gab es in dem Laden auch das elektronische Pendant zu Dinosaurierzähnen: Röhren. Man musste als Kunde auf jeden Fall genau wissen, was man wollte, und nicht einmal erfahrene Jäger wussten immer, ob ein Teil in den Vereinigten Staaten oder in Fernost hergestellt worden war. Das war ein Ort, an dem Elektrotechniker, die nach der Arbeit vorbeikamen, auf Jugendliche trafen, die auf metallenen Trittleitern stehend in einer Auswahl von Schnappschaltern, Druckschaltern, Wechsel-Druckschaltern, beleuchteten Hebelschaltern, Druck-Zugschaltern und Schiebeschaltern nach dem perfekten Schalter wühlten.
Die schmalen Gänge wurden von hölzernen Regalbrettern verdunkelt, die auf Metallgestellen lagen, welche vom Betonboden bis zu einer Decke mit schmutzigen Röhren und verstaubten Neonlampen reichten. Hunderttausende Teile lagen in alten Kartonschachteln. Aus manchen Schachteln ragten verdrehte Kabel heraus. Widerstände waren in Rollen verpackt und es gab ganze Regale, die ausschließlich Kondensatoren gewidmet waren. Die teureren Bauteile lagen in Glaskästen oder auf nobleren Regalen. Manche trugen exotische Namen, wie zum Beispiel „Leeds and Northrup Speedomax“ und „Honeywell Digitest“. Sogar von den Generatoren, die mechanische in elektrische Energie umwandeln, gab es so viele Sorten, wie es Rosensorten gibt: Signalgeneratoren, Kippgeneratoren, Wobbelgeneratoren, lineare Kippgeneratoren und variable Kippgeneratoren. Ein Stammkunde, der sich regelmäßig in Restpostenmärkten wie Haltek aufhielt, formulierte das einmal so: „Das war, als würde man durch einen riesigen Werkzeugkasten laufen. Man bekam eine Vorstellung davon, was möglich war.“ Außerdem hörten die Elektrotechniker an diesem Ort etwas über die Qualität von Maschinen, für die man Möbelpacker brauchte, und über andere, die leichter waren als ein Blatt.
An manchen Wochenenden arbeitete Jobs am Tresen von Halted Specialties in Sunnyvale. Dort lernte er den Wert und die Preise für Teile kennen, von den neuesten Halbleiterchips bis zu Messgeräten. Er brachte Wozniak zum Staunen, als die beiden einen Samstagvormittag damit verbrachten, sich durch die Angebote des Flohmarkts von San Jose zu wühlen. Es war eine riesige Mischung aus Garagenverkauf und Kirmes, die anscheinend alle Aasgeier südlich von San Francisco anlockte. Jobs kaufte ein paar Transistoren, die er hinterher – mit Gewinn – seinem Chef bei Halted verkaufte. Wozniak erinnert sich: „Ich hielt das für eine haarige Sache, aber er wusste, was er tat.“
Im Leben von Jobs gab es aber noch viel mehr als nur Elektronik. Er war neugierig, abenteuerlustig und offen für alles, was das Leben zu bieten hatte. Er verbrachte genauso viel Zeit mit künstlerischen und literarischen Versuchen wie mit Frequenzzählern und Laserstrahlen. Ihn interessierten Literatur und klassische Filme, er befasste sich mit Shakespeare, erkor seinen Englischlehrer zum Idol und war von Filmen wie Der rote Ballon angetan. Als das Schwimmtraining zu viel Zeit kostete, hörte er auf und stieg auf Wasserball um, aber das gab er auf, als ihn der Trainer aufforderte, Gegnern das Knie in den Unterleib zu rammen. „Ich war kein Sportler.
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