Apple - Die Geburt eines Kults
lieferte Bauteile und Ratschläge, und er half Wigginton, dessen klobiger Lötkolben nicht richtig funktionierte, seine erste Hardware zu bauen, nämlich einen Apple.
Auf Chris Espinosa wirkte der Computer-Sommerkurs in Homestead genauso ansteckend wie auf Wigginton. „Sobald wir mit dem Grundwissen bewaffnet waren, konnten wir mehr als der Lehrer.“ Espinosa war in Los Angeles aufgewachsen, wo er in acht Jahren neun verschiedene Schulen besucht hatte. Als sein Vater jedoch anfing, an der University of Santa Clara Jurastudenten zu unterrichten, geriet er in die Tretmühle von Cupertino. „In Cupertino herrschte eine vollkommen andere Atmosphäre. In Los Angeles wurden die meisten meiner Freunde Diebe, Musiker oder Drogenabhängige. In Cupertino hatte ich neue Freunde, die intelligent waren, zur Wissenschaft neigten, zur Mittelklasse gehörten und ziemlich fortschrittlich waren.“ Während der Junior High School trat Espinosa als Sprecher der Schülerschaft bei Stadtratssitzungen auf, die einberufen wurden, um Pläne zur Umwandlung eines Obstgartens in eine Shopping-Mall zu diskutieren. Dank seines Interesses an öffentlichen Verkehrsmitteln war er auch dem Santa Clara Transit District ein Dorn im Auge, denn er argumentierte bei öffentlichen Versammlungen zugunsten einer Ausweitung der örtlichen Busdienste und pries die Vorzüge von Stadtbahnen an. Er gewöhnte sich an, stundenlang Bus zu fahren – „Für mich war das Busnetz ein großes, verzwicktes System“ –, und nutzte den Bus, um Byte Shops zu besuchen, wo er lernte, wie man einen Apple programmiert. Aber ebenso wie Wigginton, der ihn mit Wozniak bekanntmachte, war Espinosa zu jung, als dass er hätte zu den Homebrew-Versammlungen fahren können. Da weder die Tentakeln des Busnetzes noch die Neigungen ihrer Eltern bis zu den finsteren Rändern von Palo Alto an Mittwochabenden reichten, wurden Wigginton und Espinosa von Wozniak zu den Homebrew-Versammlungen chauffiert. Die beiden Jugendlichen wurden Wozniaks Messdiener. Espinosa überredete Wozniak dazu, der Homestead High School einen Computer zu schenken, und bewies seinen aufgeweckten, übermütigen Sinn für Humor, indem er ihn in ein Gehäuse mit der Aufschrift „IBM“ einbaute. Für die Homebrew-Fahrten quetschten sie sich in Wozniaks Auto, wobei sie den Rücksitz frei räumten, der mit Zeitschriften, Zeitungen und Hamburger-Verpackungen bedeckt war. Dabei witzelten sie, der Schimmelpilz, der auf dem Polster wachse, sei in Botanikerkreisen als „Woz Effect“ bekannt. Der etwas schmaler gebaute Espinosa schleppte Bücher und Hefte in die Versammlungen, während Wigginton die undankbare Aufgabe hatte, Wozniaks 48-cm-Farbfernseher zu tragen. Wozniak trug den neuen Computer, für den Wiggintons Bruder ein hölzernes Gehäuse entworfen und gebaut hatte. Nach den Versammlungen setzten sich die drei noch in ein örtliches Denny’s, wo sie weiter fachsimpelten. Bei einer Homebrew-Versammlung fragte Jobs Espinosa aus, der sein Können durch die Vorführung der Farbe bewies, und bot ihm im Austausch gegen eine Reihe 4-Kilobyte-Speicherchips, die zu den gesuchtesten Teilen für den Apple gehörten, einen Job an. Espinosa nahm an, erinnert sich aber: „Jobs hat sein Versprechen nie gehalten.“
Bei allen Homebrew-Versammlungen war der Apple auf einem Klapptisch neben anderen Hobbycomputern in der Nähe des Eingangs zum SLAC-Hörsaal aufgebaut. In dem steil abfallenden Saal waren fast alle größeren Entwicklungen im Mikrocomputerbereich zu sehen, während der Newsletter des Vereins pflichtbewusst über das Erscheinen neuer Produkte, über Messetermine, die Eröffnung des ersten Computerladens in Santa Monica und die Gründung von Herstellern von Computerbausätzen wie Kentucky Fried Computers berichtete. Die Newsletter-Redakteure brachten den Bastlern auch ein paar grausame Lebensweisheiten nahe. Als die Videoanzeige von Processor Technology nicht wie versprochen erschien, bemerkte der Newsletter: „Da zeigt sich, dass Geduld zu den notwendigen Eigenschaften eines Computerbastlers gehört.“ Es gab häufige Forderungen nach mehr Software und die Ankündigung einer Zeitung, deren Herausgeber Computersprachen und Programme veröffentlichen wollten und die ihr den skurrilen Namen Dr. Dobbs’ Journal of Computer Calisthenics and Orthodontia gaben.
Während sich Wozniak damit beschäftigte, ein paar Programme für den Apple zu entwickeln, löste das Thema Software in dem Club eine heftige Debatte aus.
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