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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Tanzritual.
    (Die Kämme der Dünung waren, Blüten eines verzauberten Frühlings,
hie und da gekrönt oder durchzogen von Schaum; Glover saß am Ruder wie
verwitterter Granit.)
    Die Bewohner der Kola-Inseln verehren die Wolken, die Eingeborenen
von Luba wissen nicht, woher die kleinen Kinder kommen, und der Gott von
Arrimattaroa ist eine gigantische Termite. Eins wie das andere hochinteressant,
flüsterte Unumunu. Wissenschaftlich gesehen. Er sprach von Instituten,
Stiftungen, Expeditionen, von Monographien und Museen. Man wußte nie, was als
nächstes kam, und Appleby, selbst ein Mann der Wissenschaft, hörte fasziniert
zu. Aus dem unglaublichsten Ritus, dem abscheulichsten Brauch ließen sich doch
die schönsten Verallgemeinerungen ableiten, eine bahnbrechende, umfassende
anthropologische Theorie.
    (Die Sonne ging mit ihrem grünen Blitzen unter, und dann – wie um zu
zeigen, wie zufrieden sie mit diesem Postkarteneffekt war – tat sie es
gleich noch einmal. Es war niemand am Ruder; es gab kein Ruder; das Segel
war nur noch ein zerfleddertes Banner; die Luft war heiß, still und trocken,
nur ein leises Säuseln war zu hören, ein Stöhnen hinter dem Horizont.)
    Hoppo, unter seiner Decke ausgestreckt, betete nun nicht mehr; Tage
waren vergangen, seit er mit dem Doctor seraphicus über die Neununddreißig
Artikel debattiert hatte und in um so luftigere Höhen entrückt worden war,
in denen er Mrs.   Kittery immer wieder neu mit seinen Meditationen über die
Braut Christi oder die neun Ordnungen der Engel fasziniert hatte. Und nun,
selbst von der Kraft der Seraphim, zerrte Mrs.   Kittery an seinen Füßen, denn
sein Kopf mußte in den Schatten, sonst würde er den Tag nicht überstehen.
    Eine Zeitlang hatte Appleby das Kommando gehabt, doch nun war Mrs.   Kittery an der Reihe. Als einzige war sie noch bei klarem Verstand – eine
normale Frau, die unter den normalen Gefahren des Krieges um ihr Leben kämpfte.
Und unter den Schiffbrüchigen strahlte sie mit der höheren Wirklichkeit, der
höheren physischen Gegenwart einer homerischen Göttin. Miss Curricles Haar
hatte eine gespenstische Korallenfarbe angenommen, ihre Gliedmaßen zuckten
willkürlich; sie war so schwach geworden, daß sie kurz davor schien, eine
Dimension zu verlieren, als hätten die unermeßlichen Kräfte von hundert Faden
Tiefe auf sie den Effekt einer hydraulischen Presse. Glover war ein
zerbröselnder Monolith, verblüffend aufrecht, doch nur noch eine leere Hülle;
Hoppo war zusammengesackt wie die Haut des Bartholomäus; Unumunu nur noch eine
Stimme, die bald in furchterregende Gesänge ausbrach, bald verzweifelt ihre
anthropologischen Fetzen phantasierte. Doch Mrs.   Kittery blieb, wie sie war,
und wachte über alle; fünf Leute waren am Leben zu halten, und diese
Herausforderung würde sie annehmen. Sie zog ihre Uhr auf und wartete, bis die
Zeiger zweimal ihre Runde gemacht hatten, bevor sie die letzte Dose Birnen
öffnete.
    Unumunu hielt in seinem Gesang inne; eine ebenholzschwarze Wolke
schwebte vor Appleby; die Stimme erklang direkt an seinem Ohr. »Oder nehmen Sie
die Vorstellung, daß Energie von einem Körper auf den anderen übergeht. Nichts
an den Naturvölkern ist interessanter als das – interessanter für die
Wissenschaft … Wie heißen Sie?«
    »Appleby – John Appleby.«
    »Damit haben Sie sich in meine Hand gegeben, Mr.   Appleby. Ich habe
Ihren Namen, und damit habe ich Sie. Sie sind in meiner Macht. Ich habe Ihre Macht in mich aufgenommen. Mit Ihrem Namen sind Sie in
mich eingegangen. Verstehen Sie? Das ist ein universeller Zauber, und ein
höchst wirkungsvoller.« Die Stimme zögerte, dann fuhr sie um so schneller fort.
»Ausgesprochen interessant. Berthold und Kemp-Brown haben Studien darüber
veröffentlicht. Oplitz bei den Kagota … von der Guggenberg-Stiftung finanziert … die Poincet-Conti-Expedition.« Wieder zögerte die Stimme. »Und
Kannibalismus«, sagte sie, »ist im Grunde nichts anderes.«
    (Der Pazifische Ozean war sehr still geworden. Das Auf und Ab der
Bar war nun nur noch eine Täuschung der Bogengänge; statt dessen drehte sich
alles wie ein Rouletterad kurz vor dem Stillstand, ein unendlich träger
Kreisel. Die Bar machte noch eine Umdrehung und dann noch eine, einen Moment
lang stand sie vollkommen still, dann begann sie sich mit allmählich
zunehmendem Tempo in die entgegengesetzte Richtung zu drehen. Hätten sie ein
Barometer an Bord gehabt, so hätte es in diesem Augenblick ein

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