Applebys Arche
das Bedrohliche
im Hintergrund lauert. Aber Versuche, es in der Wirklichkeit zu finden, sind
noch immer gescheitert. Dis aliter visum hat bisher auf
dem Grabstein jeder solchen Unternehmung gestanden.«
Diana setzte sich und verfolgte mit großen und runden Augen diesen
gelehrten Schlagabtausch. Heaven lachte, wenn auch ohne rechte Überzeugung.
»Die Götter wollten es anders? Das wollen wir auch. Die Eremitage glaubt nicht
an Götter, muß ich leider sagen.«
»Sind Sie denn überzeugt, daß es nur den einen Glauben hier gibt,
Ihren eigenen Glauben an das Geld? Vielleicht sind Leute im Hotel, die anderen
Göttern huldigen – und erstaunlich fest im Glauben sind. Sie sind ein Relikt
aus einem verflossenen Jahrhundert, Mr. Heaven.«
Heaven sah ihn verblüfft an. »Ich muß sagen, ich verstehe nicht,
worauf Sie hinauswollen.« Er kicherte, dann folgte ein dumpfes Murmeln. »Und
ich bin mir nicht sicher, ob Sie es wirklich freundlich meinen.«
»Meine Absichten sind lauter. Und was ich sagen will, ist folgendes.
Ihr Hotel, das Sie unter großen Kosten und Mühen auf dieser entlegenen Insel
errichtet haben, weil Sie voraussahen, daß eine Nachfrage danach entstehen
würde, ist ein Beispiel für das, was man einst freies Unternehmertum nannte,
und freier könnte eine solche Unternehmung kaum sein. Der Profit ist Ihnen so
wichtig, daß Sie bis ans Ende der Welt dafür gegangen sind. Wer weiß, ob Sie
nicht auch über Leichen gehen. Aber Sie interessieren mich. Sie müssen ein Mann
von außerordentlicher Habgier sein.«
»John«, ermahnte Diana ihn milde, »ist das denn die Art Freundschaft
zu schließen?«
»Nein; aber es ist die Art klare Verhältnisse zu schaffen. Mr. Heaven denkt, er ist der einzige Mensch auf der Insel, den etwas antreibt – und
sein Antrieb ist das Geld. Deshalb sein irdisches Paradies, bezahlt mit
geschmuggelten Briefmarken und Diamanten. Wenn er anderen überhaupt einen
eigenen Willen zubilligt, wird er davon ausgehen, daß es der gleiche ist wie sein
eigener. Aber ich behaupte, daß es längst andere Kräfte gibt, die die Menschen
treiben, und heute mehr als vor, sagen wir, fünfzig Jahren. Und er erkennt sie
vielleicht nicht, weil er ein so altmodischer Mann ist, ein als Ästhet
verkleideter Materialist. Er sieht den Antrieb der anderen womöglich nicht, und
eine solche Blindheit kann gefährlich sein.«
»Ich muß sagen«, entgegnete Heaven, »es ist ein Vergnügen, einem so
anregenden und bezaubernden Verstand zu begegnen. Gerade wenn er« – er
wandte sich an Diana und verneigte sich – »gemeinsam auftritt mit einem so
anregenden und …«
»Ich rate Ihnen« – Appleby verdarb ihm das Kompliment –, »denken Sie
darüber nach.«
»Das werde ich tun, mit Sicherheit.« Heaven lachte und murmelte.
Aber er war nervös geworden; sein Körper schwankte mit seltsamen, ruckhaften
Bewegungen, er fuchtelte unschlüssig mit den Händen.
»Und bevor es zu spät ist.«
Heaven gab einen neuen Laut von sich – etwas wie ein scharfes
Zischen. »Wie meinen Sie das? Was wollen Sie sagen mit diesen Antrieben, dieser
Gefahr?«
»Den Antrieben? Ich wollte Ihnen sagen, daß Leute hier sind, denen
anderes wichtiger ist als Geld. Denken Sie an die Wissenschaftler. Denken Sie
an Hailstone und Dunchue drüben, die nur für ihre Archäologie leben.«
»Unbedingt.« Heaven hatte sich gefangen, und das nächste Kichern kam
wieder von Herzen. »Wie leicht es doch ist, überzeugende Beispiele zu finden,
wenn man erst einmal eine feste Position hat. Eines Tages werde ich wohl selbst
als Beispiel herangezogen werden, für das vergebliche Bemühen, ein Paradies
unter dem Mond zu bauen – ein paar goldene Stunden zu finden in einer Zeit aus
Blei.«
»Ah«, sagte Appleby, »nun kommen Sie der Sache schon näher. Der
Mann, der nach Gold suchte, und statt dessen fand er Blei. Etwas in dieser
Art.«
Colonel Glover und der Mann namens Jenner debattierten noch
immer. Sie kamen just in dem Moment um die Ecke der Veranda, in dem Heaven
davonhuschte. Glover bestritt den Großteil der Konversation, und als sie
näherkamen, war zu sehen, daß Jenner ein wenig unruhig auf die Uhr blickte.
Diana versetzte Appleby einen Stoß in die Rippen. »John, wenn du noch eine von
deinen freundlichen und gelehrten Unterhaltungen führen willst, da kommt ein
passendes Opfer.«
»Nein, diesmal will ich herausfinden, ob ich durchschaut bin.«
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Früher, da war viel – viel
klarer,
Weitere Kostenlose Bücher