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Applebys Arche

Applebys Arche

Titel: Applebys Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Innes
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Augenblick. Die Laute der See
drangen fremd und bedrohlich herüber; die Grillen waren Verbündete, in deren
Machtlosigkeit sich das eigene Schicksal lesen ließ. Schon senkten sich die
Schattenvorhänge der Nacht; die Insel hüllte sich in sie wie eine Tänzerin in
ihre Schleier und verschwand; und zurück blieb nur die fette Frau, die sich in
ein Kleid zwängte, und weit in der Ferne in Hailstones Bungalow ein einsames
Licht.
    Appleby wandte sich zum Gehen, doch in der Tür drehte er sich noch
einmal um. »Wie steht es mit der Prosa, Mr.   Mudge? Haben Sie die Schatzinsel gelesen?«
    »Nein, Mr.   Appleby, auf den Gedanken bin ich nie gekommen.«
    »Eine Handvoll ehrlicher Männer und ein Junge fanden sich auf einer
Insel wie dieser, zusammen mit einer Bande Ganoven. Sie mußten kämpfen. Aber
als erstes mußten sie wirklich sicher sein, welches die Ganoven waren und
welches die ehrlichen Männer.«
    Mudge schlüpfte in die weiße Jacke, in der er gleich das Auftragen
des Abendessens beaufsichtigen würde; dann hielt er inne, um die literarische
Information zu verarbeiten. »Die Ganoven«, sagte er, »hatten einen Anführer,
nehme ich an?«
    »Allerdings. Er hieß Long John Silver.«
    »Und hier gäbe es ebenfalls einen Anführer, Mr.   Appleby? Und
vielleicht wissen Sie sogar, wer er ist, auch wenn Sie nicht alle Mitglieder
seiner Bande kennen?«
    »So ist es.«
    Mudge seufzte. »Das meditative Temperament hat seine Nachteile, Mr.   Appleby, große Nachteile sogar. Man bemerkt manche Dinge nicht so schnell wie
man sollte. Darf ich fragen, wie Sie darauf gekommen sind?«
    »Das weiß ich selbst nicht so genau. Es geschah beim Mittagessen … Sie und ich sollten ein Auge aufeinander haben. Gute Nacht.«
    Und damit ging Appleby hinaus. Vom Hotel rief ein Xylophon melodisch
zu dem, was Mr.   Heaven an Stelle der eßbaren Würmer servieren würde. Obwohl
Appleby bei Diana schon Stunden zuvor von seinem Hunger gesprochen hatte,
folgte er dem Ruf nicht sogleich; als er beim Hotel ankam, ging er zunächst bis
ganz ans Ende der Veranda, von wo er das Meer sehen konnte. Es war, wie oft auf
den Inseln, eine kühle Nacht. Aber an diesem Abend kam etwas anderes hinzu – ein Hauch, ein Beben, das der Wetterkundige zu lesen vermocht hätte. Der Ozean
war von hier nur eine unbestimmte, schimmernde Fläche; nur der Verstand wußte,
wie fremd und leer diese Fläche war. Mit ernster Miene blickte er hinaus, wie
jemand, der nach etwas Wichtigem, Entscheidendem sucht.
    Er hörte Schritte hinter sich, und als er sich umwandte, sah er das
Glimmen einer Zigarette, das Schimmern eines weißen Abendanzugs, die spöttische
Miene, dramatisch von der Glut beleuchtet, des gescheiterten Finanziers Sir
Mervyn Poulish. Der Mann richtete das Wort an ihn – gleichmütig, mit der
lässigen Höflichkeit einer Unterhaltung auf Deck eines Dampfers. »Na, schon was
gefangen?«
    Appleby schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Bisher nicht.«

Kapitel 16
    Gut möglich, dachte Appleby, als er den Blick über den
Speisesaal des Hotels Eremitage schweifen ließ, daß ich mich verraten habe.
Vielleicht wird das Tempo der Sache von nun an davon bestimmt. Noch ein oder
zwei weitere Stunden in dieser Art, und es wird hier nach einer ganz anderen
Melodie getanzt. Am besten, ich sehe zu, daß ich noch etwas herausbekomme,
solange die Lichter brennen. Denn wer weiß, ob sie nicht bald ausgehen.
    Er sah sich noch einmal im Speisesaal um und mußte feststellen, daß
er anders aussah als sonst. Mr.   Heaven hatte eins seiner Divertissements
vorbereitet. Appleby gehörte nicht zu denen, die sich freuen, wenn sie zum
Abendessen kommen und statt dessen ein Divertissement vorfinden, und
betrachtete die Szene mit einer Miene, die auch beim Hund der Hailstones nicht
finsterer hätte sein können. Statt der üblichen langen Tische war eine Vielzahl
von kleinen für jeweils zwei Personen gedeckt. Beim Eintritt in den Saal bekam
man das Ende einer verschlungenen Seidenschleife in die Hand gedrückt, und
diesem Ariadnefaden folgte man, bis man auf den persönlichen Minotaurus stieß,
der zum Tischgenossen ausersehen war. Eine wunderbare Idee, um sich prächtig zu
amüsieren. Auf diese Weise war Hoppo gegenüber Miss Busst zu sitzen gekommen,
der Anführerin der Jeunesse dorée, Miss Curricle gegenüber dem nichtssagenden
Mr.   Rumsby, und Colonel Glover teilte seinen Tisch mit Jenner, dem Mann, der
etwas im Schilde führte und von dem bisher nichts bekannt war, als

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