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Aprilgewitter

Titel: Aprilgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorentz Iny
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Nachthemd.
    »Caroline … ich meine, Fräulein von Trepkow nehmen wir mit. Ihr hat das Theaterstück neulich auch gefallen.«
    »Dir nicht?«, fragte Lore hinterhältig, da Nathalia diese Aufführung unbedingt hatte sehen wollen.
    »Doch, doch!«, antwortete das Mädchen nicht ganz wahrheitsgemäß. Zugeben, dass sie von dem Stück ebenfalls enttäuscht gewesen war, wollte sie nicht. Daher wechselte sie schnell das Thema. »Kommt Hauptmann Hilgemann auch mit?«
    Lore hatte so ihre Zweifel. So angenehm es war, unter dem Schutz eines angeblichen Hauptmanns der Artillerie die Stadt erkunden zu können, so fürchtete sie doch die Gefahr, dass Gregor Hilgemanns Verkleidung durchschaut und er als Hochstapler verhaftet werden könnte.
    »Ich weiß nicht, ob er Zeit hat«, antwortete sie daher ausweichend.
    »Er hat! Ich habe ihn nämlich gestern gefragt«, erklärte Nathalia stolz.
    Lore beneidete das Mädchen um seine Unbekümmertheit, dort, wo sie zehn Probleme zu sehen glaubte, war für ihre junge Freundin kein einziges vorhanden.
    »Hast du schon die Zähne geputzt und dich gewaschen?«, fragte sie, weil ihr nichts anderes einfiel.
    »Selbstverständlich, Frau Gouvernante! Wenn Hauptmann Hilgemann mit der Droschke kommt, werde ich fertig sein.«
    »Gut, gut. Hast du Caroline schon gefragt, ob sie überhaupt mit uns fahren will?«
    Nathalia stieß ein amüsiertes Lachen aus. »Wenn man sie fragt, will sie nirgendwo hin. Die muss man vor vollendete Tatsachen stellen, und das tue ich jetzt. Du findest uns im Frühstückszimmer!« Kaum hatte sie dies gesagt, sprang sie wieder vom Bett herab und eilte mit wippenden Röcken davon.
    Seufzend blickte Lore ihr nach. Wie es aussah, hatte das Schuljahr in der Schweiz Nathalia eher wilder als ruhiger werden lassen. Sie benahm sich wie ein Füllen, das endlich aus dem Stall kam und auf der Wiese herumtollen konnte.
    Mit wachsender Sorge um die Zukunft ihres Schützlings ging Lore ins Bad und machte sich zurecht. Da ihre Gedanken immer wieder um ein anderes Thema kreisten, dauerte es länger als sonst, bis sie fertig wurde. Im Ankleidezimmer wartete bereits Jutta auf sie, um ihr die Haare aufzustecken und ihr ins Kleid zu helfen. Obwohl das frühere Dienstmädchen und die jetzige Zofe sich geschickt anstellte, fand Lore Nathalia und Caroline bereits am Frühstückstisch vor. Bei ihnen saß Gregor Hilgemann in einer tadellos ausgebürsteten Hauptmannsuniform und trank Kaffee.
    Lores Blick flog zu der Uhr auf der Anrichte, doch noch blieb ihnen ein wenig Zeit.
    »Guten Morgen, gnädige Frau. Ich hoffe, Sie verzeihen mein verfrühtes Kommen, doch ich hielt es für besser, gleich am Morgen eine Droschke für den ganzen Tag zu mieten, als ewig auf einen Wagen warten zu müssen, weil jeder zu der Parade fahren will.«
    »Sie sind ein sehr vorausschauender Mann«, lobte Caroline den Studenten zu Lores Überraschung.
    »Leider nicht in allen Fällen!« Gregor verzog das Gesicht, weil er an seinen Steckbrief dachte. In den nächsten Minuten widmete er seine ganze Aufmerksamkeit einem Brötchen, das er fein säuberlich aufschnitt, mit Butter bestrich und mit mehreren Scheiben Schinken belegte.
    »Entschuldigen Sie, aber ich bin ohne Frühstück aus dem Haus, da Herr Benecke und Mrs. Penn noch geschlafen haben. Außerdem wollte ich mich auf die Suche nach einer guten Droschke machen. Wir können ja schlecht in einem abgeschabten Wagen, der von einer dürren Mähre gezogen wird, Unter den Linden erscheinen.«
    Für einen Augenblick hatte Lore das Gefühl, als blickte Caroline Gregor bewundernd an, sagte sich dann aber, dass sie sich getäuscht haben musste. Oder sollte sich zwischen diesen beiden Menschen tatsächlich etwas anbahnen? Der Standesunterschied dürfte keine große Rolle mehr spielen. Caroline war trotz ihrer adeligen Herkunft so arm wie eine Kirchenmaus und würde niemals einen Mann aus ihren Kreisen heiraten können. Alles, was sie erwarten konnte, war die Ehe mit einem neureichen Emporkömmling, dem mehr an ihrer Abkunft als an ihr selbst lag.
    »Soll ich dir Kaffee einschenken?« Nathalias Frage riss Lore aus ihren Gedanken. Sie nickte und sah dann zu, wie das Mädchen graziös mit Kaffeekanne und Tasse hantierte.
    »Das machst du sehr geschickt«, sagte sie bewundernd.
    »Habe ich in der Schweiz gelernt. Da mussten wir stundenlang mit leeren Kannen üben, um es richtig hinzubekommen.«
    »Vorsicht, es läuft gleich über«, warnte Lore sie.
    Im letzten Augenblick hob Nathalia

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