Aprilgewitter
Offiziere. Diese hatten im Gegensatz zu den einfachen Reitern ihre Säbel gezückt und boten mit ihren Waffenröcken und hohen Stiefeln ein martialisches Bild.
»Dort ist er!« Begeistert winkte Nathalia Fridolin zu. Das Gleiche tat Wilhelmine Grünfelder. Fridolin nahm die Bankierstochter als Erstes wahr und deutete einen militärischen Gruß in ihre Richtung an.
»Dieser stolze Reiter wird bald mein Schwiegersohn sein!« Für einen Augenblick übertönte Grünfelders Stimme sogar die Musik, und die Worte drangen bis zu Lore.
Sie kniff die Lippen zusammen und blieb enttäuscht sitzen. Ihr war nicht mehr danach, Fridolin zuzuwinken. Doch als sie glaubte, es könne nicht schlimmer kommen, zwängte sich eine Frau durch die Menschenmasse, die die Droschke umgab, und blieb mit höhnischem Gesichtsausdruck neben ihr stehen.
Noch während Lore sich fragte, wer dieses Weib war, das ihr vage bekannt vorkam, sprach diese sie an. »So treffen wir uns wieder, Lore Huppach! Oh Verzeihung, ich meine natürlich Freifrau von Trettin. Welch ein Aufstieg aus einer Schulmeisterkate in Ostpreußen bis zur hochgeachteten Dame der Berliner Gesellschaft. Ich aber wurde von dir und deinen feinen Verwandten so lange in den Dreck getreten, bis ich selbst zu Dreck geworden bin.«
»Elsie?«
»Die gnädige Frau belieben, sich an mich zu erinnern? Ja, ich bin es, und ich habe den Tag in Bremen nicht vergessen, an dem Sie gesagt haben, Sie wollten nichts mehr mit mir zu schaffen haben! Stattdessen haben Sie mich unter der Fuchtel dieses bösen Weibsstücks Malwine auf Trettin zurückgelassen. Können Sie sich vorstellen, was die mit mir gemacht hat? Sie hat mich mitten in Berlin auf die Straße gesetzt und mir ein so grauenhaftes Zeugnis ausgestellt, dass ich nur noch in den Puff gehen konnte! Wissen Sie überhaupt, was das ist? Dort gehen Männer hinein, die mehr erleben wollen, als nur zu Hause im Ehebett ihre Frau zu vögeln. Es ist ekelhaft und sündig – und dazu habt ihr Trettins mich verurteilt!«
Empört hob Gregor Hilgemann die Hand, um die unverschämte Person zu ohrfeigen, doch Lore hielt ihn zurück. »Lass sie reden«, sagte sie mit einer Stimme, die nicht erkennen ließ, wie schwer es ihr fiel, ruhig zu bleiben.
Elsie funkelte Lore hasserfüllt an. »Viele Männer kommen ins Bordell, deren Frauen nichts davon ahnen. Einer davon ist Ihr Ehemann Fridolin. Seit der wieder in Berlin ist, ist er jede Woche mindestens zweimal im
Le Plaisir
und hat von der Chefin angefangen bis zu mir jede Hure durchgebumst. Sie sind ihm offensichtlich nicht gut genug im Bett! Daher lässt er Sie jetzt auch sitzen und heiratet die reiche Bankierstochter.«
Die Worte prasselten wie von einem Maschinengewehr abgefeuert auf Lore ein. Diese starrte Elsie an und weigerte sich zu glauben, was dieses Weib da behauptete. Auch wenn eine Dame die Worte »Puff« und »Bordell« nicht zu kennen hatte, wusste sie doch, worum es sich handelte. Konrad war bei seinen Erzählungen über seine Zeit bei der Handelsmarine gelegentlich ein verräterischer Satz über die Lippen gekommen. Jetzt aber war er ein braver Ehemann und trug seine Mary auf Händen. Ein Etablissement dieser Art würde er nie mehr betreten.
Von Elsie zu hören, dass Fridolin Stammgast in einem solchen sein sollte, war für Lore ein Schock. Sie erinnerte sich an das fremde Parfüm. Unwillkürlich schnupperte sie, doch von Elsie ging ein anderer, billiger Duft aus.
Mit einer Ruhe, die ihr alle Kraft abforderte, sah sie auf die Hure hinab. »Du hast bekommen, was du verdienst. Und jetzt geh uns aus dem Weg! Die Parade ist vorbei, und ich will nach Hause. Du bist immer schon eine Lügnerin gewesen, ich glaube dir kein einziges Wort.«
Da Elsie so aussah, als wolle sie sich an die Droschke klammern, versetzte Gregor Hilgemann ihr einen Stoß und befahl dem Kutscher, zur Turmstraße zurückzufahren.
Bei der nächsten Kreuzung hob Lore die Hand. »Wir haben uns darauf gefreut, heute Nachmittag in einem Biergarten eine Limonade trinken und Eisbein essen zu können. Das werden wir uns von diesem Lügenmaul nicht verderben lassen.«
Ihre Worte, vor allem aber das Lächeln, das diese begleitete, beruhigte den Studenten. Auch Caroline, die wie erstarrt zugehört hatte, atmete auf.
Nathalia aber kannte Lore besser und spürte, dass es in ihr brodelte, sie sich jedoch nichts anmerken lassen wollte. Später würde sie mit Lore reden müssen, damit diese nicht wegen dieses missgünstigen Weibes etwas
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