Aprilgewitter
zu imitieren, doch ihr Äußeres zeugte nicht von sicherem Geschmack. Die Tochter hingegen war ihm zu hochnäsig und zu sehr darauf bedacht, Abstand zu allen ihr gewöhnlich erscheinenden Leuten zu halten.
»Guten Tag, Herr Dohnke. Melden Sie uns bei Herrn von Trettin an!«, forderte Juliane Grünfelder ihn auf.
»Bedauere, doch Herr von Trettin hat mir strengstens verboten, ihn innerhalb der nächsten Stunden zu stören. Es geht um einen ungewöhnlich hohen Kredit, müssen Sie wissen. Der Herr Kommerzienrat wünscht die Unterlagen heute noch zu sehen, da die Gelder morgen früh zur Auszahlung bereitstehen müssen.« Emil genoss den erbosten Ausdruck, der sich auf den Gesichtern der Damen breitmachte.
Wilhelmine Grünfelder dachte nicht daran, so einfach aufzugeben. »Dann erledigen Sie diese Aufgabe, während wir mit Herrn von Trettin sprechen.«
Emil verneigte sich übertrieben elegant vor ihr. »Ich danke dem gnädigen Fräulein für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Leider darf ein Kreditwunsch dieser Größenordnung nur vom Besitzer der Bank selbst und seinem Vizedirektor bearbeitet werden. Das gnädige Fräulein könnte daher höchstens seinen verehrten Herrn Vater bitten, Herrn von Trettin zu vertreten.«
Wilhelmine Grünfelder sah ganz so aus, als wolle sie ihren Vater auffordern, ihr diesen Gefallen zu tun. Doch als sie auf Grünfelders Kontor zutrat, hielt die Mutter sie auf, die nur zu gut wusste, dass ihr Mann in seinem Bankhaus keine Störungen des Geschäftsablaufs duldete.
»Komm, mein Kind, setzen wir uns einstweilen in ein Café, trinken eine Tasse Schokolade und essen ein Stück Kuchen. Herr Dohnke, wann glauben Sie, wird Herr von Trettin fertig sein?«
Am liebsten hätte Emil der Dame erklärte, dass sie heute wohl nicht mehr damit rechnen könne. Da er jedoch befürchten musste, dass die beiden den Bankier danach fragen würden, machte er eine unbestimmte Handbewegung. »Es wird noch mindestens zwei bis drei Stunden dauern, gnädige Frau!«
»Wir kommen in zwei Stunden wieder«, erklärte Juliane Grünfelder und stieg schnaufend die Treppe hinab. Ihre Tochter folgte ihr, ohne sich von Emil Dohnke zu verabschieden.
Während dieser den Damen hinterhersah, dachte er nicht zum ersten Mal, dass Menschen, die zu rasch aus einfachen Verhältnissen zu Geld gekommen waren, gegenüber denen, die hinter ihnen zurückblieben, jede Höflichkeit vermissen ließen. Mit einem Achselzucken kehrte er in Fridolins Kontor zurück.
»Die erste Attacke habe ich zurückgeschlagen, Herr von Trettin. Aber der Feind stärkt sich jetzt mit Schokolade und Kuchen für den zweiten Ansturm. Diesen werde ich Ihnen nicht mehr vom Hals halten können«, erklärte er Fridolin mit einem amüsierten Lächeln.
»Wenigstens kann ich die Angelegenheit hier in Ruhe zu Ende bringen.« Fridolin stöhnte, denn die Grünfelder-Damen wurden ihm allmählich zu anhänglich. Aus welchem Grund sie ihn so belagerten, konnte er sich denken. Bereits drei Mal hatte er eine Einladung zum Abendessen in Grünfelders Villa ausgeschlagen. Nun versuchten sie auf diese Weise, ihn dazu zu bewegen, wieder bei ihnen zu erscheinen.
»Nicht ohne Lore!«, versicherte er sich selbst und bat Emil Dohnke, ihm zusätzliche Unterlagen zu besorgen.
»Gerne, Herr von Trettin!« Beim Hinausgehen dachte Emil, dass der Freiherr sich im Umgang mit ihm und den anderen Angestellten der Bank einer Höflichkeit bediente, die auch Grünfelders Frau und Tochter gut zu Gesicht gestanden hätte.
Kaum hatte der Angestellte Fridolins Kontor verlassen, da winkte Grünfelder ihn mit einer herrischen Geste zu sich. »Herr Dohnke, habe ich Sie nicht eben mit meiner Frau sprechen hören?«
»Sehr wohl, Herr Kommerzienrat. Die gnädige Frau war zusammen mit dem gnädigen Fräulein hier.«
»Wo sind sie jetzt?«, fragte der Bankier ungehalten.
»Die gnädige Frau und das gnädige Fräulein haben beschlossen, erst ein Café aufzusuchen und später wiederzukommen, weil Herr von Trettin im Augenblick zu beschäftigt ist, sie empfangen zu können.«
Grünfelder warf einen verärgerten Blick in Richtung von Fridolins Kontor und wandte sich wieder an seinen Angestellten. »Herr Dohnke, wenn meine Frau und meine Tochter zurückkommen, führen Sie sie zuerst in mein Büro.«
»Sehr wohl, Herr Kommerzienrat!« Emil machte seinen Diener und wollte weitergehen, um die Unterlagen für Fridolin zu holen. Doch der Bankier hielt ihn noch einmal auf. »Herr Dohnke, Ihr Vater besitzt
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