Aprilgewitter
ab. »Das hat mit Berlin nichts zu tun. Es muss jemanden aus deinem früheren Leben geben, der dir schaden will. Erst letztens hat eine Kundin impertinent gefragt, ob ihr Kleid auch von dieser flickschneidernden Freifrau genäht würde. Ich habe ihr daraufhin geraten, sich an einen anderen Salon zu wenden.«
»Das muss aus derselben Quelle kommen wie die Gerüchte, die Fridolin so erzürnt haben. Irgendjemand versucht, meinem und damit auch seinem Ruf zu schaden.«
»Vielleicht solltest du ein wenig mehr Verständnis für die Sorgen deines Mannes aufbringen. Als Vizedirektor einer Bank kann er es sich nicht leisten, im Zentrum eines Skandals zu stehen.«
»Seit wann ist ehrliche Arbeit ein Skandal?«, fragte Lore herb.
Innerlich bebte sie, weil sie sich eingestehen musste, dass diese Gerüchte tatsächlich der Grund dafür waren, dass sich die Damen Grünfelder nach wie vor weigerten, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Doch dann meldete sich ihr Stolz. Wenn die beiden so kleinkariert waren, dann wollte Lore sie auch nicht kennenlernen.
Mary merkte, wie die Laune ihrer Freundin sank, und bereute schon, das Thema angesprochen zu haben. Andererseits war es besser,
wenn Lore Bescheid wusste und sich auf weitere Attacken aus dem Hinterhalt vorbereiten konnte.
Um sie auf andere Gedanken zu bringen, kam sie wieder auf das Kleid zu sprechen. »Ist es dir recht, wenn Konrad dir noch heute den Stoff ins Haus bringt, Laurie? Einen Teil der Verzierungen könnten wir von einer Posamentiererin anbringen lassen.«
Nach einem weiteren Blick auf die Zeichnung schüttelte Lore den Kopf. »Das mache ich lieber selbst, denn ich habe im Kopf, wie das Kleid einmal aussehen soll. Jemand Fremdes könnte die Wirkung zerstören. Nun will ich sehen, ob Jutta Kaffee gekocht hat. Du magst doch sicher ein Stückchen Kuchen?«
»Gerne!« Mary atmete auf, weil Lore wieder guter Dinge zu sein schien. Und doch ließ auch sie die Frage nicht los, von wem die Gerüchte ausgehen mochten und was derjenige damit bezweckte.
II.
E mil Dohnke blickte aus dem Fenster von Fridolins Kontor und verzog das Gesicht. »Alarm, Herr von Trettin! Der Feind rückt auf breiter Front vor.«
Fridolin stand auf, trat ans Fenster und sah die beiden Damen Grünfelder aus ihrem Wagen steigen. Eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen. Bis vor kurzem hatten Grünfelders Frau und Tochter, so hatte es geheißen, niemals das Bankgebäude betreten, als sei die Quelle ihres Reichtums ein Hort des Teufels. Dies aber war der dritte Besuch innerhalb einer Woche, und jedes Mal hatten die beiden viel Zeit in seinem Kontor verbracht.
»Ausgerechnet heute kann ich keine Störung vertragen. Herr Grünfelder hat mich gebeten, die Akten für den Rendlinger-Kredit fertigzustellen. An seiner Stelle würde ich die geforderte Summe im Übrigen nicht bewilligen.«
»Ich glaube kaum, dass Herr Grünfelder auf Ihren Rat hören wird, Herr von Trettin. Dafür hat Rendlinger ihn zu sehr beschwatzt.« Emil Dohnke machte keinen Hehl daraus, dass er bei der Bewertung dieser Sache mit dem Vizedirektor übereinstimmte.
Fridolin ballte die Faust. »Wenn es Rendlinger nicht gelingt, die erhofften Heeresaufträge zu erhalten, setzt er seine Investitionen in den Sand und macht einen Riesenverlust. Ob er dann noch in der Lage ist, die Gelder zurückzuzahlen, halte ich für äußerst fraglich.«
»Dann wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt. Wenn der Chef sich an diesem Bissen verschluckt, wird er hinterher verdammt kleine Brötchen backen müssen.« Dohnke lachte freudlos auf und sah dann Fridolin augenzwinkernd an. »Wenn Sie gestört werden, können Sie die Papiere für Rendlingers Gelder heute nicht mehr fertigstellen.«
»Aber ich muss! Erfüllen Sie Ihre Pflicht, Herr Dohnke, und halten Sie mir die Damen wenigstens so lange vom Hals, bis ich Herrn Grünfelder den Akt überreichen kann.« Damit wandte sich Fridolin wieder den Unterlagen zu.
Emil Dohnke schluckte eine weitere Bemerkung hinunter und ging den Damen bis auf die Treppe entgegen. Die füllige Juliane Grünfelder keuchte und schnaufte wie eine alte Lokomotive und zog sich mit einer Hand am Geländer hoch, während die Tochter so aussah, als würde sie am liebsten nach oben fliegen.
»Einen schönen guten Tag wünsche ich Ihnen, Frau Grünfelder, und auch Ihnen, Fräulein Grünfelder!« Leichter Spott lag in Emils Stimme. Für seinen Geschmack versuchte die Frau des Bankiers zu offensichtlich, die Spitzen der Gesellschaft
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