Aprilgewitter
ausweichend. »Es kommt zunächst einmal darauf an, wie viel Geld zur Verfügung stehen wird. Ist die Summe hoch genug, sollte es schon etwas Außergewöhnliches sein.«
»Ich bin dafür, dass wir diese Sache ein andermal besprechen«, meldete sich nun Major von Palkow zu Wort. »Die Entscheidung für das richtige Geschenk ist zu wichtig, um sie auf der Stelle treffen zu können. Außerdem würden wir die Damen langweilen!«
Das Argument verfing. Juliane Grünfelder stimmte sogleich zu, dass sie und die anderen weiblichen Gäste sich bereits vernachlässigt fühlten. Der Pfeil war vor allem auf Fridolin gerichtet, der schon wieder nicht auf eine Bemerkung ihrer Tochter reagiert hatte. An seiner Stelle sprang Hasso von Campe in die Bresche und verwickelte Wilhelmine in ein Gespräch, in das sich auch Leutnant von Trepkow einschaltete.
Fridolin jedoch lehnte sich zurück und beobachtete die Gäste. Selten hatte er eine ähnlich bunt zusammengewürfelte Tischgesellschaft gesehen. Grünfelder musste in Zukunft mit seinen Einladungen sparsamer sein, wenn er sich nicht dem Spott einflussreicher Kreise aussetzen wollte.
Der Industrielle Rendlinger mochte inzwischen den Titel eines Barons tragen, ein Edelmann war er deswegen noch lange nicht. Auch die Offiziere mit von Palkow an der Spitze wirkten in dieser Runde eher unpassend, und der russische Fürst gab sich erst gar nicht die Mühe, seine Verachtung für den bürgerlichen Gastgeber zu verbergen. Nicht nur aus diesem Grund war Fridolin froh, als die Tafel endlich aufgehoben wurde und die Damen Juliane Grünfelder in deren Räumlichkeiten folgten, während Grünfelder die Herren in den Rauchsalon führte.
Dort bezog der Bankier ihn sofort in die Diskussion über das richtige Geschenk für Prinz Wilhelm mit ein. Fridolin war bewusst, dass in Grünfelder die Hoffnung geweckt war, dem ersehnten ›von‹ über eine aufwendige Gabe näherzukommen. Neben Rendlinger sprachen sich auch Major von Palkow und zwei weitere Herren für ein möglichst grandioses Präsent aus.
Es war rasch deutlich, dass kritische Stimmen nicht gefragt waren. Daher ließ Fridolin die anderen reden und warf nur selten ein Wort ein. Stattdessen grübelte er weiter über diesen Abend nach und befand, dass er ihn zusammen mit Lore bei Konrad Benecke und Mary sehr viel angenehmer hätte verbringen können. Der Protz, mit dem Grünfelder seine Feste feierte, war ihm schlichtweg zuwider.
Deswegen zählte er zu den ersten Gästen, die sich verabschiedeten. Die enttäuschte Miene des Bankiers ignorierte er dabei ebenso wie eine bissige Bemerkung des Leutnants von Trepkow, den er im Grunde für einen unerzogenen Lümmel hielt, der erst einmal lernen musste, seine schlechten Manieren auf dem Exerzierplatz zurückzulassen.
XVIII.
N icht lange nach Fridolin verließen auch Major von Palkow und Fürst Tirassow Grünfelders Villa. Als sie in der Droschke saßen, schüttelte der Russe den Kopf. »Sind denn alle in Deutschland verrückt geworden?«
»Das müssen Sie mir erklären, mein Freund«, antwortete von Palkow verwundert und zündete sich mit einem Patenthölzchen die Zigarre an, die er unauffällig hatte mitgehen lassen. In dem kurz aufflackernden Licht sah er das Gesicht des Fürsten vor sich, das zu einer Maske des Abscheus verzerrt war.
»Ich meine den vorlauten Knaben, den dieser Rendlinger vorhin so in den Himmel gelobt hat. Hier scheint man überzeugt zu sein, Wilhelm werde nach dem Tod seines Großvaters und Vaters einmal ein akzeptabler Kaiser werden. Ich aber befürchte Schlimmes. Die Äußerungen über uns Russen, die er erst kürzlich vom Stapel gelassen hat, stellten eine gezielte Beleidigung dar. Wenn er Deutschland so regiert, wie er jetzt redet, wird das Bündnis zwischen unseren Reichen zerbrechen und es möglicherweise sogar zum Krieg kommen. Das wäre sowohl für Russland wie auch für das Deutsche Reich verheerend.«
Von Palkow lachte leise. »Ihren Eifer in Ehren, Fürst Tirassow, doch Wilhelm wird nun einmal über kurz oder lang Kaiser werden.«
Tirassow senkte die Stimme, damit der Droschkenkutscher ihn nicht verstehen konnte. »Das sollte man um jeden Preis verhindern!«
Von Palkow richtete sich auf. »Wie stellen Sie sich das vor?«
Der Russe ging nicht auf die Frage ein, sondern bedachte Rendlinger, Grünfelder und einige andere Herren, die an diesem Abend eingeladen gewesen waren, mit ätzenden Kommentaren.
Derweil gingen die Gedanken des Majors ihrer eigenen Wege. Er
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