Aprilgewitter
Marke, die Sie mir empfohlen haben, ist einfach kolossal. Einen besseren trinkt wahrscheinlich selbst der Kaiser nicht!«
»Wir hätten von den Franzosen anno 71 eher das Cognac und die Champagne verlangen sollen als Elsass-Lothringen«, warf einer der Bankangestellten witzelnd ein.
Grünfelder gab ihm sofort Kontra. »Es war unsere Pflicht, unsere unter der Knute des Franzmanns ächzenden deutschen Brüder zu befreien und an unsere Brust zu drücken!«
»Ich hoffe, wir brechen ihnen dabei nicht sämtliche Rippen«, murmelte Fridolin, der in Bremen erfahren hatte, dass beileibe nicht alle Elsässer und Lothringer begeistert gewesen waren, wieder dem Deutschen Reich angeschlossen zu werden.
»Was haben Sie gesagt?«, fragte Grünfelder nach.
Fridolin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nichts von Belang! Doch wenn ich jetzt meine Bitte an die gnädige Frau richten dürfte.«
Der Bankier begriff, dass Fridolin sich nicht von seinem Ziel abbringen lassen würde, und warf seiner Frau einen mahnenden Blick zu.
Juliane Grünfelder lächelte. »Was wünschen Sie, Herr von Trettin?«
»Es geht um meine Gattin. Sie ist neu in Berlin, kennt keinen Menschen und sitzt jetzt zu Hause, ohne dass jemand sie einlädt oder sie besucht. Aus diesem Grund würde es mich freuen, wenn Sie sich Lores annehmen und ihr behilflich sein könnten, sich in Berlin einzuleben und neue Freunde zu finden.«
Obwohl Fridolin seine Forderung in höfliche Worte gefasst hatte, spürte Juliane seinen festen Willen und wusste nicht, wie sie sich nun verhalten sollte.
Wilhelmine jedoch suchte gar nicht erst nach einer diplomatischen Formulierung. Sie sprang auf und blickte Fridolin empört an. »Wir werden diese Schneiderin niemals in unserem Haus dulden und unseren Freunden aufdrängen, die alle aus gutem Hause oder von Adel sind!«
»Wilhelmine!«, rief Grünfelder erschrocken, konnte seine Tochter jedoch nicht bremsen.
»Ich sage nur die Wahrheit! Alle meine Freundinnen einschließlich Fräulein von Stenik und Kriemhild von Wesel haben erklärt, dass sie unser Haus in Zukunft meiden würden, wenn diese Schneiderin hier empfangen wird.«
Fridolin war wie vor den Kopf geschlagen. Im ersten Augenblick wollte er aufstehen und gehen. Dafür aber war er bereits zu eng mit August Grünfelder und dessen Bank verbunden. Jetzt auszusteigen und nach Bremen zurückzukehren war für ihn gleichbedeutend mit eigenem Scheitern. Daher bezwang er seinen Zorn und wandte sich an Grünfelder.
»Sie werden verstehen, dass ich in einem Haus, in dem meine Gattin nicht willkommen ist, nicht mehr wie ein normaler Gast ein und aus gehen kann. Daher ist es wohl das Beste, wenn ich hier nur erscheine, wenn ein geschäftlicher Anlass meine Anwesenheit erfordert.«
»Aber Herr von Trettin, ich wollte doch Sie nicht vertreiben!« Wilhelmine brach in Tränen aus, während ihr Vater hilflos danebensaß und nicht wusste, was er sagen sollte.
»Aber Kindchen, jetzt weine doch nicht!«, flehte die Mutter und nahm Wilhelmine in die Arme.
Im Stillen aber haderte sie mit ihrer Tochter. Es wäre besser gewesen, so zu tun, als würden sie Fridolins Bitte erfüllen, und dessen Frau den spitzen Bemerkungen der anderen Damen auszusetzen. Um zu retten, was noch zu retten war, sah sie Fridolin händeringend an.
»Lieber Herr von Trettin, verzeihen Sie meinem armen Kind. Es plappert nur nach, was es von anderen gehört hat. Ich hätte Ihre Gattin schon längst eingeladen, nur macht deren Ruf es mir unmöglich. Ich darf eine derart gewöhnliche Person meinen übrigen Gästen nicht zumuten, wenn ich nicht mein Ansehen und das meiner Tochter beschädigen will.«
»Lore ist alles andere als eine gewöhnliche Person«, presste Fridolin zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Das nehme ich an, denn ein Herr von Welt wie Sie hätte sie sonst nicht geehelicht. Nur muss ich auf meine Freundinnen und Bekannten Rücksicht nehmen. Solange sich diese Gerüchte um Ihre Gattin ranken, ist es mir unmöglich, sie so an meinen Busen zu drücken, wie sie es gewiss verdient hätte.«
»Wenn ich diejenigen, die für diese haltlosen Gerüchte verantwortlich sind, ausfindig mache, werden sie es bedauern!«, sagte Fridolin, doch seinen Worten fehlte die notwendige Schärfe.
Er wusste selbst, in welch armseligen Verhältnissen Lore und deren Großvater Wolfhard Nikolaus von Trettin nach dessen Vertreibung von Gut Trettin hatten leben müssen. Damals hatte Lore sich tatsächlich nicht anders zu
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