Aprilgewitter
auch nicht ins Gefängnis.« Konrad las den Text noch einmal laut vor.
Lore tippte sich an die Stirn. »Es ist ein Unding, für so etwas eine ehrabschneidende Strafe erleiden zu müssen!«
»Deshalb hat man uns zunächst auch nur von der Universität verwiesen und dafür gesorgt, dass wir hier in Preußen nicht weiterstudieren dürfen. Das Gefängnis drohte uns erst, als wir uns vor dem Haus des Professors versammelt hatten, da wir mit ihm reden wollten. Er hat uns jedoch nicht einmal angehört, sondern sofort die Gendarmen holen lassen und diese gegen uns aufgehetzt. Ein paar von uns wurden sofort verhaftet.«
Gregor machte sich offensichtlich Sorgen um seine Kommilitonen, aber es war nicht zu übersehen, dass er noch mehr Angst hatte, selbst in die erbarmungslosen Fänge der preußischen Justiz zu geraten.
»Siehst du eine Möglichkeit, Herrn Hilgemann zu helfen?«, fragte Lore schließlich.
Konrad dachte lange nach. So einfach war es nicht, einem von der Justiz gesuchten Menschen Obdach und Hilfe zu gewähren. Andererseits war der Student kein Staatsverbrecher. Ihn jetzt wegzuschicken war gleichbedeutend damit, ihn seinen Verfolgern auszuliefern. Außerdem hatte Lore ihn gebracht, und diese wollte Konrad nicht enttäuschen. Er musterte die beiden und fragte sich, ob mehr dahinterstecken mochte. Immerhin war Lore von Fridolin sehr enttäuscht, da mochte es sein, dass sie Hilgemann nicht nur aus Mitleid geholfen hatte. Doch nichts an ihr oder dem Studenten deutete auf eine mögliche Liebesbeziehung hin. Lore schien sich mehr in der Rolle einer älteren Schwester zu sehen, obwohl sie gewiss zwei, drei Jahre jünger war als ihr Schützling.
Natürlich konnte sich zwischen den beiden etwas entspinnen, sagte Konrad sich. Allerdings war das nicht seine Sache. Wenn es dazu kam, war es Fridolins Schuld, der über seinen beruflichen Aufstieg seine Pflichten Lore gegenüber vernachlässigte.
»Also gut! Ich werde Ihnen helfen, Herr Hilgemann. Sie bleiben jetzt erst einmal ein paar Tage bei uns. Wir haben ein Zimmer, das die Familie, die vor uns hier wohnte, untervermietet hatte. Allerdings werden Sie Papiere benötigen, wenn Sie länger bleiben wollen.«
Gregor sah ihn erleichtert und dankbar an. »Ich danke Ihnen und verspreche Ihnen, Ihnen keine Mühe zu machen. Was die Ausweise betrifft, so hoffe ich, dass mir einer meiner Kommilitonen, der nicht in diese Sache verwickelt ist, mit den seinen aushilft, damit ich Preußen verlassen kann.«
»Und wie wollen Sie sich mit diesem Freund in Verbindung setzen?«, wollte Lore wissen.
»Da ich jetzt ein wenig Zeit gewonnen habe, kann ich ihm schreiben und einen unverfänglichen Treffpunkt mit ihm vereinbaren.«
Es war offensichtlich, dass Gregor ihre Hilfe so kurz wie möglich in Anspruch nehmen wollte, das rechneten ihm Lore und Konrad hoch an.
Lore trank das Weinglas leer und stellte es auf den Tisch. »Ihr werdet erlauben, dass ich mich verabschiede. Es war ein aufregender Tag.«
Gregor sprang auf und verbeugte sich. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, gnädige Frau!«
»Nicht doch! Ich habe Ihnen gerne geholfen, Herr Hilgemann. Sagen wir es einmal so: Es hat ein wenig Würze in mein Leben gebracht. Richte Mary einen schönen Gruß aus, Konrad, und teile ihr mit, dass ich morgen zur vereinbarten Stunde im Modesalon sein werde!«
Sie winkte den beiden Männern kurz zu, verließ die Wohnung und forderte den Portier auf, ihr eine Droschke zu besorgen. Zwar war der Weg nach Hause nicht weit, aber die Sonne hatte sich inzwischen verabschiedet und der Wind schob dunkle Wolken über den Himmel. Als Lore zur wartenden Droschke eilte, spürte sie die ersten Regentropfen auf dem Gesicht.
XV.
A uch an diesem Abend blieb Lore allein. Fridolin wurde noch in der Bank von Grünfelder abgefangen und mit in dessen Haus geschleppt. Da auch Dohnke und zwei weitere Angestellte des Bankhauses eine Einladung erhalten hatten, war es ihm unmöglich, sich zu widersetzen. Diesmal aber, sagte er sich, würde er mit Juliane Grünfelder über Lore sprechen.
Schon auf dem Weg zu Grünfelders Villa war der Regen stärker geworden, so dass mehrere Diener mit Schirmen herbeieilen mussten, damit die Herren halbwegs trocken ins Haus kamen. Der Bankier führte sie zuerst in seinen Salon und befahl den wartenden Lakaien, Wein und Zigarren zu reichen. Fridolin wählte ein Glas leichten Rheinwein, lehnte aber die Zigarre ab. Die anderen taten sich weniger Zwang an. Auch Emil Dohnke ließ
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