Aprilgewitter
gesprochen hatte, nicht in der Lage sein würde, ihre Spur aufzunehmen.
An der Friedenssäule angekommen, bezahlte sie den Droschkenkutscher, sah zu, wie dieser wieder losfuhr, und winkte dem nächsten Wagen, sie mitzunehmen.
Caroline amüsierte sich über ihre Vorsicht, gleichzeitig aber bewunderte sie die Freundin. Am liebsten hätte sie Lore gebeten, mitkommen zu dürfen, wenn diese sich mit dem Studenten traf, wagte aber nicht, sie zu fragen.
Lore lud Caroline an einer Stelle ab, an der sie mit dem Pferdeomnibus bis in die Nähe ihrer Wohnung in der Möckernstraße fahren konnte, wechselte kurz darauf noch einmal die Droschke und kam gerade noch rechtzeitig vor Marys und Konrads Wohnung an. Als sie sich umsah, konnte sie Gregor Hilgemann nirgends entdecken. Dann fiel ihr an der Einmündung der Ottostraße ein Mann auf. Allerdings trug er einen altmodischen, bereits etwas abgeschabten Rock und einen Zylinderhut und stützte sich auf einen Gehstock. Erst als er sich zu Lore umwandte und unsicher grinste, erkannte sie den Studenten.
»Guten Tag, gnädige Frau!«, grüßte er. »Ich habe mir erlaubt, mich unterwegs bei einem Trödler neu einzukleiden. Leider rieche ich nun arg nach Mottenkugeln.«
»Wenn es weiter nichts ist!« Lore war erleichtert, weil ihr Schützling genügend Umsicht bewiesen hatte, sich andere Kleidung zu besorgen. Er wirkte nun wie ein Provinzler aus einfachen Verhältnissen, niemand würde ihn mehr mit dem aufmüpfigen Studenten in Verbindung bringen.
»Kommen Sie mit«, befahl sie und betrat das Haus, in dem ihre Freunde wohnten. Der Portier begrüßte sie freundlich und sah Gregor fragend an.
»Der Herr will zu Herrn Benecke. Es handelt sich um einen alten Freund«, log Lore, ohne mit der Wimper zu zucken.
Während der Portier sich wieder der Zeitung zuwandte, die er unter seinem Tisch versteckt hatte, stieg Lore die Stufen ins Hochparterre hinauf, trat auf Marys Wohnungstür zu und klopfte.
Das Dienstmädchen öffnete ihr und knickste. »Guten Tag, Frau von Trettin. Frau Benecke ist leider noch nicht zu Hause.«
»Ist Herr Benecke zu sprechen?«, fragte Lore.
»Für dich immer!« Konrad kam den Flur entlang und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich freue mich, dich zu sehen. Du siehst wohl aus!« Es klang ein wenig erstaunt, denn in letzter Zeit hatte Lore eher bedrückt gewirkt. Dann sah er den jungen Mann hinter ihr und hob verwundert die Augenbrauen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, legte Lore den rechten Zeigefinger auf den Mund.
»Kommt herein«, forderte Konrad sie und Gregor auf und wies das Dienstmädchen an, wieder an die Arbeit zu gehen. Dann führte er die Besucher in die gute Stube, schenkte ihnen je ein Glas Wein und sich selbst eines mit Rum ein.
Er setzte sich auf seinen Lieblingssessel und sah Lore fragend an. »Willst du mir den Herrn nicht vorstellen?«
»Es ist Gregor Hilgemann, ein Student der Rechte, der leider in Schwierigkeiten geraten ist.«
»So? Und wie bist du an ihn geraten?«, fragte Konrad geradeheraus.
»Herr Hilgemann hat, um es nach Seemannsart zu sagen, meine Droschke gekapert, da ihm einige Gendarmen auf den Fersen waren. Danach bat er mich, ihm zu helfen, und das will ich jetzt tun.«
»So, der Herr hatte mit Gendarmen zu tun. Mich würde zuerst einmal interessieren, weshalb?« Konrad betrachtete den Studenten misstrauisch, fand ihn aber nicht unsympathisch.
Gregor begann nun zu erzählen und legte Konrad zwei gedruckte Zettel vor. Auf einem stand das Lobesgedicht des Professors, auf dem anderen die abgeänderte Version der Studenten.
Konrad las beide durch und rümpfte bei den schwülstigen Versen zum Ruhme des Kaisers die Nase, während beim Lesen des Spottgedichts seine Mundwinkel verdächtig zuckten.
»Das sieht mir ganz nach einem Studentenulk aus«, sagte er zu Gregor.
Dieser nickte unglücklich. »So war es auch gedacht. Doch leider hat sich der Herr Professor in seiner Ehre angegriffen gefühlt und macht nun eine Staatsaffäre daraus.«
»Jetzt drohen Herrn Hilgemann zwei Jahre Haft, obwohl er das Gedicht selbst nicht umgeändert hat«, warf Lore ein.
»Na ja, bei ein paar Stellen habe ich schon mitgeholfen! Aber keiner der an dieser Sache Beteiligten hat zwei Jahre Gefängnis verdient. In Bayern oder Württemberg hätte man uns höchstens für zwei Wochen von den Vorlesungen ausgeschlossen, doch hier in Preußen gehen die Uhren anders. Wer aufmuckt, bekommt sofort eins übergebraten.«
»In Bremen kommt man für so was
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