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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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kramte einen Filzschreiber aus der Tasche, und sie setzten ihre Unterschriften auf beide Instrumente. Sie wechselten noch ein paar Sätze, die Gruppe war aus Dänemark und zu einem Surfkurs hier in Biarritz, die beiden Gitarristen spielten schon seit einem Jahr zusammen und wollten in Zukunft auch eigene Stücke schreiben, alle wollten sich sofort zu Hause mit CDs von Tanner & Krantz eindecken und so weiter, dann gingen sie auseinander, das heißt, Benno, Christine und Daniel gingen los, die jungen Leute blieben sitzen und starrten ihnen Löcher in den Rücken.
    Sie hatten den halben Platz überquert, als Christine sich bei ihnen unterhakte und sagte: »Ich weiß gar nicht, wie ich gehen soll. Die gucken alle. Nicht umdrehen.«
    »Wir hätten’s nicht tun sollen«, sagte Benno.
    »Wieso nicht?«, fragte Daniel.
    »Es ist wie angeben.«
    »Quatsch«, sagte Christine, »ihr habt denen doch eine riesengroße Freude gemacht«, aber ihrer Stimme hörte man an, dass sie Bennos Einschätzung zuneigte, man habe das Schöne an diesem Moment zerstört, anstatt es zu genießen. Zumindest Benno hörte das. Endlich waren sie über den Platz und um die Ecke gebogen und gingen auf der Strandpromenade.
    »Die Gibson war toll«, sagte Daniel.
    »Die Martin auch«, sagte Benno.
    » Ihr wart toll«, sagte Christine, und jetzt klang ihre Stimme nicht mehr nach Zweifel oder Unsicherheit.
    —
    Er hört noch immer ihre Schritte über sich, aber kein Hämmern mehr. Und auf einmal ist die Melodie da. Er schaltet den Verstärker ein, stellt ihn leise, hofft, dass die Musik sie nicht stören wird, und spielt so lange, bis er sich sicher ist, das Stück nie wieder zu vergessen. Er muss sich nichts ausdenken oder üben – die Musik ist da, so, wie sie am Nachmittag in seinem Kopf war, kommt sie jetzt aus seinen Fingern, ein simpler, freundlich-melancholischer Walzer, der keine handwerklichen Ansprüche stellt und sich gut auf einem Hackbrett machen würde. Oder einer akustischen Zwölfsaitigen. Oder mit Akkordeon, Geige, Mandoline.
    Als er, nach vielleicht zwanzig Minuten, den Verstärker ausschaltet und die Gitarre in den Ständer zurückstellt, klingelt das Telefon.
    »Das ist schön«, sagt Christine, »kann ich das kennen?«
    »Au, hast du’s doch gehört. Ich wollte eigentlich leise sein.«
    »Es ist schön«, sagt sie noch einmal, »ich hab mich gefühlt, als säße ich nach Sonnuntergang an einem See und wollte nur noch warten, bis es dunkel ist, damit ich baden kann.«
    »Warum erst wenn’s dunkel ist?«
    »Weil ich keinen Badeanzug mithabe.«
    »Es ist neu«, sagt Benno, »eben erst erfunden.«
    »Schön«, sagt sie zum dritten Mal, »damit schlaf ich ein heut Nacht.«
    Wenn das hier so hellhörig ist, denkt er, nachdem sie aufgelegt hat, dann darf ich nicht husten. Und ich werde alles mitkriegen, was oben vor sich geht. Vielleicht höre ich sie und Daniel bei der Liebe. Oder sie und jemand anderen. Wie in dem Lied Duncan von Paul Simon.
    —
    Am Abend nach dem kleinen Treppenkonzert wollte Christine noch einmal zum Strand. »Ich will schwimmen«, sagte sie, »kommt ihr mit?« Natürlich kamen sie mit, sie machten alles zu dritt, und erst recht, wenn es von Christine vorgeschlagen wurde. Dann standen die beiden Troubadoure Laute bei Fuß und folgten, wohin auch immer die Dame sie führen mochte.
    Sie hatten die letzten beiden Stunden in einem kleinen Restaurant verbracht und schon einiges getrunken, zwei Flaschen Wein zu dritt, den letzten Schluck nahm Daniel noch im Stehen, nachdem er die Rechnung beglichen hatte, und Christine legte beim Gehen, anstatt sich wie sonst immer unterzuhaken, ihre Arme um die Hüften der beiden. Das war ein irritierendes Gefühl für Benno, fast so wie in der ersten Nacht in La Baule, als er ihre Hand so zufällig oder nicht zufällig auf sich bemerkt hatte. Die Stelle, auf der sie lag, wurde zum Zentrum seines Körpers. Er spürte, wie sich seine Pobacke beim Gehen bewegte, deren oberster Ansatz mit jedem Schritt Christines Hand streichelte oder von ihr gestreichelt wurde. Und Daniel musste dasselbe fühlen.
    Sie gingen nicht zum Hotel, um ihre Badesachen zu holen, Christine lenkte sie gleich in Richtung Meer und bis zum Ende der Uferpromenade und weiter den Strand entlang, an einer verlassenen Badeanstalt vorbei, dann kletterten sie um einen Felsen und langten in einer kleinen Bucht an, die sie ganz für sich allein hatten. Spaziergänger waren keine mehr unterwegs und Badende erst recht nicht zu

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