Aprilwetter
dieser Zeit. Es war kurz vor zwölf.
Hier gab es keine Laternen, das Licht eines Hauses über den Felsen streute nur diffusen Schimmer in die Luft, aber hier unten war es dunkel und diskret. Niemand würde sie sehen, oder, falls doch, nur als Schemen oder Silhouetten, und nicht erkennen können, ob sie nackt waren oder nicht. Es war sehr warm, der Himmel bedeckt, keine Sterne, kein Mond zu sehen, das einzige vage Licht kam über den Felsen in ihrem Rücken.
»Also los«, sagte sie, legte ihre Jacke auf den Kies und zog sich aus. Daniel und Benno taten dasselbe, denn weder konnten sie angezogen sitzen bleiben und Manets Frühstück im Grünen nachstellen, noch Christine allein ins Wasser gehen lassen. Eigentlich hatte Benno keine Lust zu baden, aber darauf kam es nicht an. Alle oder keiner.
Er trödelte, faltete seine Kleidungsstücke ordentlich zusammen, um hinter ihr zum Wasser zu kommen, dann würde er sie ansehen können. Daniel beeilte sich, er schien dasselbe vorzuhaben, nur umgekehrt, er wollte vor ihr im Wasser sein, um sie auf sich zukommen zu sehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete Benno – soviel er zu beobachten wagte –, wie sich ihre Brüste bewegten, als sie die Jeans über die Hüften schob, wie sie nach vorn schwangen, als sie sich bückte, um Jeans und Höschen abzustreifen, wie sich der dunkle Fleck ihres Schamhaars vom helleren Rest ihres Körpers abhob, er merkte auch, dass er eine Erektion bekam, hatte aber keine Angst, sie würde es bemerken, denn sie hatte bisher keinen Blick auf einen von ihnen geworfen.
Daniel rannte die drei Meter zum Wasser und stob plantschend und schnaufend hinein. Christine ging langsam und vorsichtig, auf die Kiesel achtend, als könne sie so das Betreten eines spitzen oder scharfen Steins vermeiden, und ließ sich, als sie bis zu den Oberschenkeln im Meer stand, von der ersten Brandungswelle anspringen, um dann schnell die letzten Schritte und ersten Schwimmzüge zu tun, nach denen sie nur noch ein Kopf über der Oberfläche war und das Bild ihres Körpers als bloßes Echo in Bennos Gehirn blieb. Er selbst ging zuerst langsam, beeilte sich aber dann, weil er fürchtete, sie oder Daniel könnten doch noch den Kopf zum Ufer wenden und seine inzwischen markante Erektion bemerken, und preschte, wie eben Daniel, ins Wasser, um sich, sobald es tief genug war, fallen zu lassen.
Als hätten sie sich verabredet, schwammen sie zueinander hin und nebeneinanderher, bis sie etwa zehn Meter vom Ufer entfernt innehielten und Wasser traten.
»Fehlt nur noch ein Vollmond«, sagte Christine.
Daniel tauchte durch eine Welle, um dann gleich wieder heranzuschwimmen.
»Geht’s euch gut?«, fragte Christine, und Benno spürte, wie ihn einer ihrer Füße flüchtig berührte. An der Hüfte. Knapp daneben.
»Ja, es ist toll«, sagte er.
»Klar«, sagte Daniel.
Den Rückweg ans Ufer nahmen sie einige Zeit später, als es ihnen im Wasser zu kühl wurde, im gleichen Muster umgekehrt. Zuerst Benno, dann Christine, dann Daniel. Sie legten sich auf ihre Jacken, schauten in den milchigen Himmel über sich und schwiegen. Irgendwann spürte Benno Christines Hand, die nach seiner griff, und wusste, dass sie auf der anderen Seite auch Daniel so hielt. Sie lag zwischen ihnen.
»Das vergess ich nicht«, sagte Christine irgendwann leise, und Daniel erwiderte ebenso leise: »Ja.« Benno schwieg. Aber er drückte ihre Hand, und sie drückte zurück.
—
Jetzt geht sie barfuß. Das Wummern ihrer Schritte ist weicher, kein Klacken mehr, in einer Filmmusik würde dieser Sound eine unterschwellige Bedrohung markieren. Er hört ein Rauschen, das muss die Badewanne sein, und wieder Radiomusik, aber die so diffus, dass er nur gerade erkennen kann, dass das Radio läuft, aber nicht, was es spielt. Es könnten alte Schlager sein, es klingt eher blechern als satt, aber es ist zu dünn, zu vage, er kann es nicht sortieren.
Das Rauschen hat aufgehört, die Schritte auch, jetzt liegt sie in der Badewanne. Ich werde Kopfhörer brauchen, denkt Benno, ich kann ihr nicht mein Fernsehprogramm aufdrängen, und wenn ich Gitarre spiele und mich hören will, muss ich mir was überlegen.
Wieso ist ihm eigentlich die Hellhörigkeit der Wohnung nicht früher aufgefallen? Bis vor einem halben Jahr wohnte ein Paar oben, und er erinnert sich, manchmal Schritte gehört zuhaben, mehr nicht. Trampelt Christine lauter? Hört er anders hin? Hat sich durch die Renovierung etwas am Boden geändert?
—
Eine Zeit lang
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