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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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die er einsteigen konnte, ein paar Studiogigs oder wenigstens eine Jamsession hier und da mit Nick und irgendwem sonst. Er war es gründlich leid, so außerhalb der Welt herumzugeistern. Er brauchte wieder einen Ort. Und sein Geld hatte schneller abgenommen als erwartet – er war durch die Package-Tour wieder verwöhnt worden und hatte sich, wenn er den Camper nicht legal abstellen konnte, in besseren Hotels und Motels eingemietet und sich die besseren Drinks gegönnt. Pleite war er noch nicht, aber es fehlte nicht mehr viel.
    —
    Am Morgen nach der Gewitternacht schaffte er es tatsächlich, als Erster ins Bad zu schlüpfen und die verräterische Unterhose vom Heizkörper zu holen. Sie war noch nicht ganz trocken, deshalb zog er sie an, anstatt sie in die Reisetasche zu packen. Er wagte es nicht, Christines Blick zu suchen, wandte die Augen ab, sah zu Boden oder auf die Uhr, wann immer es zu einem Kontakt hätte kommen können, denn egal was in ihrem Gesicht zu lesen sein würde, er hätte nicht gewagt, es zu beantworten.
    Dennoch fühlte sich Benno mit ihr verbunden, anders als bisher, stärker, er teilte das Geheimnis, auch wenn es ohne ihr Wissen sein sollte, es erhob ihn, entfernte ihn von Daniel, rückte ihn näher an Christine, als Daniel wissen konnte, als sie vielleicht wusste – nur er wusste es und schwieg. Und schaute überallhin, nur nicht in ihre Augen. Und hatte das Gefühl, Daniel zu bestehlen. Und dachte gleichzeitig, vielleicht teilt sie auch mit ihm irgendein Geheimnis, das ich nicht kenne, mit dem sie mich ausschließt, mit dem er mich hintergeht.
    Den Vormittag verbrachten sie zuerst in einem Café, dann schlendernd über einen Markt, durch die Gassen und schließlich am Strand, aber ohne ins Wasser zu gehen, sie sahen sich nur von der Terrasse beim Kasino aus das Planschen, Spielen, Lesen, Dösen und Schwimmen der anderen an. Dann wollte Christine schlafen, Daniel und Benno würden derweil üben und sich dafür irgendwo im Hinterland eine Waldlichtung oder ein anderes entlegenes Plätzchen suchen.
    Alle paar Tage musste das sein. Die Finger brauchten Training. Die Gehirne vielleicht auch. Sie fuhren fast eine Stunde herum, wählerisch wie ein Paar, das nach einem Ort für die Liebe sucht, bis sie endlich einen einsamen Grillplatz gefunden hatten, der noch zur Hälfte von der Sonne beschienen war und halbe Baumstämme zum Sitzen hatte.
    Beim Spielen fühlte sich Benno zum ersten Mal an diesem Tag wieder wohl – er hatte Daniel den Morgen über nicht ansehen wollen, vielleicht weil er dachte, er könne sich verraten, das Geheimnis wie Schuldbewusstsein im Gesicht haben, so, wie man als Kind glaubte, eine Lüge nicht verbergen zu können, weil die Erwachsenen einem ihrerseits die Lüge aufgetischt hatten, man sähe es an der Nasenspitze. Wenn sie spielten, waren sie in einem anderen Zustand, dann waren sie nur noch ein vierhändiger Mensch, und einer allein lügt sich nicht an. Oder wenigstens misstraut er sich nicht. Sie spielten lange, vielleicht drei Stunden, sie sahen nicht auf die Uhr, aber die Sonne war vollständig von der Lichtung verschwunden, als sie einpackten, in den Wagen stiegen und in die Stadt zurückfuhren.
    Christine war nicht da.
    »Essen wir was«, sagte Daniel.
    »Und wenn sie nachher auch Hunger hat?«
    »Dann essen wir halt noch was.«
    Benno schrieb eine Notiz und legte sie aufs Bett: »Wir sind an der Place Bellevue.« Dort würden sie auf jeden Fall einen Platz kriegen, an dem sie von Christine gefunden werden konnten. Und vielleicht käme sie dort ohnehin vorbei auf dem Weg vom Strand oder wo auch immer sie jetzt gerade war.
    Aber sie kam nicht. Bis kurz nach neun saßen Daniel und Benno da, den Rücken zur Hauswand und die Augen auf den Platz gerichtet, dann ging Daniel zum Hotel, um nachzusehen, ob sie im Zimmer sei und vielleicht schon wieder schlief, den Zettel übersehen hatte oder krank war, doch er kam nach wenigen Minuten zurück und zuckte die Schultern.
    »Und wenn sie am Strand ist«, sagte Benno, »und eingeschlafen?«
    Sie gingen zuerst nach rechts, dann zurück, dann nach links den ganzen Weg, den sie in der Nacht zuvor genommen hatten, aber nirgends unter den mittlerweile nur noch vereinzelten Badenden war Christine zu sehen.
    »Ich krieg langsam Angst«, sagte Daniel.
    Er kletterte voraus über die Felsen zu ihrer Badebucht, und als er weit genug oben war, um hineinsehen zu können, duckte er sich abrupt, ging in die Hocke und machte Benno ein Zeichen,

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