Aqualove
Katastrophen. Je später ich von einer weiteren Hiobsbotschaft erfuhr, desto besser war es für mich. Glaubte ich.
Es war Mittag, als wir zurück zum Steg kamen. Ohne weitere Zeit zu verlieren, rief Levent nach Carlos und Cem. Wir setzten uns alle an den Tisch im Haupthaus und sahen Levent erwartungsvoll an.
„Er kommt. Ethan kommt“, sagte er mit einem Seitenblick auf mich. Ich hielt den Atem an und kaute auf meiner Unterlippe. Obwohl mir klar war, was das bedeutete, löste sein Kommen bei mir ein völlig unverhältnismäßiges Flattern im Bauch aus. Ich war krank. Seit wann freute sich das Tier auf den Schlachter?
„Ich weiß nicht, wann er da sein wird. Aber es klang, als sei er noch weit entfernt. Ich habe ihn auf den letzten Metern im Fluss wieder gehört. Es macht mich nachdenklich, dass er mich zuhören lässt. Ich kann nicht einschätzen, ob das eine Falle ist.“
„Wenn er mit dir gesprochen hat, konnte er dich auch hören?“, fragte ich.
„Nein, ich habe im Wasser nicht kommuniziert. Da bin ich mir sicher. Normalerweise sollte er circa drei Tage hierhin über Land benötigen. Bei günstigen Flugverbindungen können wir schon morgen mit ihm rechnen. Da ich ihn gehört habe, ist es möglich, dass er einen Teil des Weges schwimmt. Ich habe keine Ahnung, wie er so schnell deine Fährte aufnehmen konnte. Mein Refugium war bisher ein gut gehütetes Geheimnis.“
„Irgendjemand muss es ihm verraten haben.“
„Irgendjemand, aber wer?“ Wir sahen uns alle fragend an.
„Wir sind zu wenige. Wir sollten die anderen verständigen“, forderte Carlos mit seinem schweren Akzent.
„Wir können höchstens ein paar erreichen, die hier in der Nähe sind.“
„Ich kümmere mich darum.“ Es war das Erste, was Cem seit Tagen gesagt hatte. Seine unerschütterliche Ruhe und Gelassenheit waren in dieser Situation irgendwie tröstlich.
„Nimm das Satellitentelefon!“, befahl Levent. „Und sieh zu, ob du Ash und Delilah erreichen kannst. Ingrit und Uli kommen ohnehin morgen zurück.“
Plötzlich war die Stimmung voller hektischer Aktivität. Ich fühlte mich wie das Auge im Sturm. Um mich herum bewegte sich alles, nur ich saß regungslos da.
„Gibt es denn niemanden, der ihm Einhalt gebieten kann? Keinen unbesiegbaren Widersacher?“ Aus meiner Stimme klang die Hoffnung der Verzweifelten. Vielleicht hatte ich in meiner Kindheit auch einfach zu viele Comics gelesen.
Levent wandte sich um. „Es gab mal jemanden.“ Die anderen hielten plötzlich inne.
„Wer war der Typ?“
„Es war kein Er, sondern eine Sie.“
Man hätte eine Feder herabfallen hören können.
„Es war eine Hassliebe. Sie teilte Ethans Ring, aber nicht seine Ansichten. Sie wehrte sich gegen die DNA-Massenmenschwerdung. Sie forderte Kommunikation mit den Menschen. Sie war auf verlorenem Posten. Sie hat einmal einen Menschen auf ihre ganz eigene Art mit einem von uns verschmolzen. Aber sie wusste, dass das falsch war. Sie war ein Naturtalent. Begabt mit einer außergewöhnlichen Intuition und besonderen Fähigkeiten. Sie hat ihm lange die Stirn geboten, aber irgendwann hat sie sich untergeordnet. Dann ist sie gegangen.“
„Wohin?“
„Das weiß keiner. Eines Tages war sie verschwunden. Vielleicht ist sie selbst ein Mensch geworden.“
Wir alle dachten über eine Retterin nach, die es nicht mehr gab.
„Was soll ich jetzt tun?“, fragte ich in die Runde.
„Ruhig bleiben. Shark will sich zurückholen, was ihm gehört.“
„Ich gehöre niemandem.“ 1.600.001. Noch war ich keine von ihnen.
Alle drei sahen mich beklommen an.
„Nia, Shark trägt seinen Namen nicht umsonst. Costa Rica ist sein Revier. Das Revier der Haie. Er kommt, um dich zu ... zu holen.“
„Du meinst, er kommt, um mich zu töten.“
Levent schlug die Augen nieder.
„Warum bringen wir sie nicht weg, wie Adam und Khaled?“, fragte Carlos.
„Hier kann ich Nia beschützen. Eine Flucht vor Shark verschafft ihr etwas Zeit, aber keinen dauerhaften Vorteil.“
„Was macht ihr mit Ethan, wenn er hierherkommt?“
Die drei sahen sich vielsagend an.
„Das lassen wir auf uns zukommen“, antwortete Levent ausweichend.
„Schnappen wir ihn im Wasser oder auf dem Land?“ Carlos sah grimmig aus.
„Im Wasser können wir ihn besser orten, aber er hat zu viele Vorteile auf seiner Seite, wenn wir ihn in seinem Element suchen. An Land ist er verletzlich wie jeder andere Mensch auch. Sucht die Harpunen zusammen und haltet sie griffbereit! Wir warten, bis
Weitere Kostenlose Bücher