Aqualove
hörte, wie unten Stühle gerückt wurden, und das leise Geräusch nackter Füße auf Holz.
„Wie bist du hier reingekommen?“, vernahm ich Levents drohende Stimme.
„Heute Mittag, als Cem wegfuhr, um Ash abzuholen. Ihr alle wart am Steg versammelt. Es war leicht, etwas höher am Fluss von oben das Haus zu erreichen.“
„Was willst du?“
„Nia ist in Gefahr“, hörte ich Ethan nach einer halben Ewigkeit sagen. Ich war zu schwach, um meinen Platz auf dem Dachboden an der Wand zu verlassen. Levent lachte leise. „Du bist die Gefahr.“
„Ich war die Gefahr. Ich habe Fehler gemacht. Ich habe mich furchtbar verhalten. Aber jetzt haben andere die Initiative übernommen. Ich bin hier, um euch zu warnen.“
„Seit wann hast du zu den Gutmenschen gewechselt, Shark?“, stichelte Levent leise.
Alle warteten auf seine Antwort.
„Seitdem ich mich verliebt habe.“
Konflikte
Ethans Stimme war kaum zu hören gewesen, und dennoch klangen seine Worte, als fielen kleine Silbermünzen auf einen Steinboden. Das Echo dieses Satzes klang in meinem Kopf nach. Die nachfolgende Stille im Hauptraum war fast greifbar. Ich stellte mir vor, wie alle starrten: Auf Ethan, auf den Boden. Verwirrt, ungläubig. War das eine neue Strategie, um sein mörderisches Ziel zu erreichen? Oder wollte er tatsächlich helfen? War der Hai geläutert? Genau wie ich warteten alle gespannt auf eine Antwort.
„Andrew und Steven wurden vom Volk geschickt. Ich weiß nicht, wie wir sie aufhalten können. Noch kennen sie Nias Aufenthaltsort nicht, aber irgendwann werden sie ihn herausfinden. Eine von uns wartet schon auf Nia.“
„Warum sollten wir dir glauben, Ethan?“ Levent sprach seinen richtigen Namen überdeutlich aus.
„Ich weiß es nicht.“ Ethan klang verzweifelt. „Schaut mir in die Augen. Verlasst euch auf eure Intuition. Befragt eure Vernunft, und dann: Ich habe mit dir in den letzten Tagen kommuniziert, um euch zu warnen. Ihr wollt Nia beschützen. Ich will es auch. Ich will es mehr als ihr, mehr als alles andere auf der Welt.“ Die letzten Sätze hatte er, ohne Luft zu holen, gehetzt herausgestoßen. Der Ernst und die Ruhe, die ich sonst an ihm bewundert hatte, waren wie weggeblasen. „Noch weiß keiner von unserem Volk, dass ich euch gewarnt habe. Deshalb konnte ich nicht deutlicher mit dir sprechen, Levent. Es ist unser einziger Vorteil.“
„Woher wusstest du, wo Nia zu finden ist?“
„Jemand hat mit mir kommuniziert. Nachdem Andrew und Steven Nia mitgenommen hatten, war ich krank vor Angst. Ich habe mich in Selbstvorwürfen zerfleischt und versucht, Kontakt zum Volk aufzunehmen. Um Gnade zu bitten, um Zeitaufschub, um irgendetwas zu tun.
Unter Wasser bekam ich dann die Nachricht, wo sie sich befindet.“
„Wer hat mit dir gesprochen?“
„Keine Ahnung. Ich habe die Stimme nicht erkannt. Aber sie war deutlich, klar und sicher, und es war der einzige Hinweis, den ich hatte.“
„Lass ihn nicht aus den Augen, Carlos!“, befahl Levent. Ich hörte, wie jemand die ächzenden Treppenstufen heraufkam. Ängstlich drückte ich mich an die Wand. Seit Ethans Erscheinen hatte ich mich nicht vom Fleck gerührt. Levent näherte sich langsam und vorsichtig. Seine Augen blickten mich besorgt an. Er reichte mir seine Hand, um mich hochzuziehen. Ich schüttelte den Kopf. Wer am Boden saß, konnte nicht mehr fallen. Noch langsamer ging er in die Knie und setzte sich mit einer leichten Drehung neben mich, sodass unsere Schultern sich berührten. „Nia? Vertraust du ihm?“
„Ich weiß es nicht ...“ Meine Stimme klang unsicher.
„Liebst du ihn?“
Ich betrachtete den Ring an meiner rechten Hand. „Vielleicht“, antwortete ich zögernd. Wir sahen uns gegenseitig an.
„Ich komme gleich wieder.“ Levent erhob sich, um nach unten zu gehen.
„Du wirst das Zimmer oben nicht betreten. Du hast sie gejagt und zu Tode erschreckt. Carlos wird auf dich aufpassen. Wenn du tatsächlich helfen willst, halte Wache und warne uns rechtzeitig! Ash, du gehst auf meinen Platz. Bleibt wachsam!“
Ethan antwortete nicht. Die anderen schienen sich zu rühren, während Levent wieder nach oben kam. Schon die Art, wie er ging, strahlte Sicherheit aus. Er zog mich vom Boden hoch und begleitete mich zu meiner Hängematte. Er hob das Netz an und half mir hinein.
„Ich werde genau hier sitzen bleiben. Versuch jetzt zu schlafen, Nia!“
Ich lag in meiner Hängematte und vermochte nicht aufzustehen. 1.600.001 – immer noch. Die ersten
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