Aqualove
der Dunkelheit bevorzugt. Nia schläft oben auf dem Dachboden. Ich möchte, dass wir uns an allen Ein- und Ausgängen postieren. Sprecht euch untereinander ab, bleibt wachsam. Und verlasst eure Plätze nicht leichtfertig, da wir mit Ablenkungsmanövern zu rechnen haben.“
Ash, Carlos und Cem nickten. Ingrit und Uli wirkten unbeteiligt.
„Und übrigens: Keiner weiß, mit wie vielen Männern Shark kommen wird.“
Mit dieser entmutigenden Aussicht zerstreuten sich alle. Es war absurd. Eine kleine Truppe friedfertiger Außenseiter hatte sich zum bewaffneten Widerstand bereit gemacht. Das war nicht David gegen Goliath – das waren die sieben Zwerge gegen Godzilla. Die Nacht schien heute stiller zu sein als sonst, als spürten die Tiere des Waldes die Spannung, die in der Luft lag. Ich hatte nach dem Abendessen zerstreut mit dem Finger Kreise auf den Tisch gemalt und noch ein paar flüsternde Worte mit Ash gewechselt. Uns allen fehlte jedoch die Konzentration für ein vernünftiges Gespräch.
Die Zeit kroch in Sekundenschritten vorwärts, und ich sehnte das Morgengezwitscher der Vögel herbei. Gegen elf Uhr ging ich zu Levent, der noch seine Hängematte vor der Treppe nach oben einrichtete. Alle anderen hatten sich zur Wache still auf ihre Plätze begeben.
Levent sah mir ins Gesicht und umarmte mich fest und lang. Ich versuchte ein mutiges Lächeln aufzusetzen und stieg mit einer kleinen Taschenlampe die Treppe nach oben.
Mit dem Strahl der Lampe leuchtete ich den riesigen Dachboden ab. Die Schatten riefen Gespenster herbei, aber alles war ruhig und unberührt. Wenn Ethan auftauchte, musste er über die Treppe kommen. Vorher musste er an Levent vorbei. Ich versuchte, mir diesen Kausalzusammenhang wie ein Mantra vorzubeten. Aber meine zitternden Nervenenden waren nicht zu beruhigen. Ich hörte, wie die Haken von Levents Hängematte quietschten, während ich auf meine Schlafstatt zuging.
„Nia!“, flüsterte jemand meinen Namen hinter mir.
Die Taschenlampe fiel scheppernd aus meiner Hand. Ich stieß einen spitzen Schrei aus. Der Lichtstrahl zuckte wie ein Wetterleuchten im Raum herum, während die Lampe über den Boden kullerte. Mein Herzschlag hatte kurz ausgesetzt, jetzt hechtete ich weg von dem Geräusch an eine Wand und kauerte mich nach Atem ringend auf den Boden. Der Strahl der Lampe formte einen schmalen Korridor auf dem Holzboden, auf dem jede Maserung zu erkennen war. Aus dem Schatten gegenüber erhob sich hinter einem Balken eine Gestalt. Ich drückte mich noch dichter an die Wand und versuchte laut zu schreien, aber aus meinem Mund kam nur ein ersticktes Röcheln.
Es war Ethan. Er hielt seine Hand beschwichtigend vor sich. Sein flehender Gesichtsausdruck nahm sich weiß in dem wenigen Licht neben seiner schwarzen Kleidung aus. Wie war er hier hereingekommen? Ich konnte nicht klar denken. Mein Verstand schrie bloß: Ich will leben! „Nia. Ich bin es, Ethan. Bitte! Ich möchte nur reden.“
Eine Stimme, die meine eigene zu sein schien, flehte schluchzend: „Geh weg! Bitte, geh weg!“
„Ich schwöre, dass ich dir nichts tun werde. Bitte, Nia!“ Ethan kam wieder einen Schritt auf mich zu. Ich sah in sein Gesicht, in das ich mich verliebt hatte, und wollte etwas Gutes darin erkennen, aber mein Verstand wusste, dass ich jetzt nur noch verlieren konnte.
„Keinen Schritt weiter, sonst verpasse ich dir ein hübsches kleines Loch in dein kaputtes Bein.“
Mein Blick, den ich kaum von Ethan lösen konnte, flackerte nach links. Ich sah, dass Levent die Treppe hinaufgekommen war und eine Harpune im Anschlag hielt. Seine Stimme klang ruhig und gelassen, als würde er eine Gutenachtgeschichte vorlesen.
Ethan blinzelte kurz bei der Ansprache. Etwas Gequältes lag in seinem Blick. „Levent. Meinem Bein geht es hervorragend und mir auch, wie du sehen kannst.“
„Es gibt eine Million anderer Neuigkeiten, über die ich mich in diesem Moment mehr freuen würde“, entgegnete Levent ironisch. „Dreh dich um!“
Ethan drehte sich langsam um. „Ich möchte mit Nia sprechen.“
„Ich glaube nicht, dass sie mit dir reden möchte.“ „Er soll weg“, bat ich tonlos.
Ethan sah hilflos zu mir herüber. Ich erinnerte mich, wie brutal er mich weggestoßen hatte, und versuchte, nicht länger in seine hypnotischen Augen zu sehen.
„Gehen wir also!“, forderte Levent und ruckte mit der schussbereiten Harpune in Richtung Treppe. Ethan ging vorsichtig an Levent vorbei die Stufen hinunter. Levent folgte. Ich
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