Aquila
über ein
Austauschprogramm sprechen sollte. Er nippte an seinem Kaffee, der langsam kalt wurde und nach Pappkarton
schmeckte. Es war Montagmorgen. Er sah auf seine goldene 31
Rolex und runzelte die Stirn. Noch fünfzehn Minuten.
Es war eine langweilige Zeit, und die Montagskonferenzen steigerten seine Langeweile ins Unermessliche. Seine Gedanken wanderten zurück zum Frühjahrstraining. Arden Sanger, Chef der Central Intelligence Agency, war ein guter Freund von ihm, doch Baseball reizte ihn nicht. Eine Einstellung, die Petrow bedauerte. Während der Football-Saison tauschten sie sich gelegentlich aus, da Arden erwartungsgemäß zu den treuen Anhängern der Washington Redskins gehörte. Wie alte Kumpel überall auf der Welt spielten sie sich manchmal Streiche. Es passte zu ihnen.
Auf dem Weg zum Konferenzraum fragte sich Petrow, welche neuen Absurditäten auf ihn warteten wie scharfe Schläge zur dritten Base. Und genauso fühlte er sich jetzt: ein alter Third Sacker, der die Hauptaufgabe hatte, vor den scharfen Schlägen entlang der Linie zu rennen wie Red Rolfe im Yankee-Stadion vor so langer Zeit. Gott sei Mütterchen Russland gnädig, wenn er je einen verfehlte!
Petrow versuchte immer – und meistens mit beachtlichem Erfolg –, seinen Sinn für Geschichte, Perspektive und Humor nicht zu verlieren. Aber die Belegschaftskonferenz am Montagmorgen betrachtete er als echten Härtetest. Langweilige, ernsthafte Männer, die alle einen Krümel mit sich brachten und die aufrichtige Hoffnung, von Petrow dafür einen beifälligen Blick oder ein beifälliges Wort zu erhaschen. Er versuchte, sein Wohlwollen gleichmäßig zu verteilen und eine interessierte Miene zur Schau zu stellen, die sie ein paar Stunden anstarren und aus der sie vielleicht ein wenig Kraft schöpfen konnten.
Doch es war glatter Mord, wie man in Brooklyn zu sagen pflegte – glatter Mord.
Als es auf die dritte Konferenzstunde zuging, erregte ein Beamter seine Aufmerksamkeit durch den Bericht eines Außendienstmitarbeiters aus Bukarest namens Grigorescu.
32
»Ich zermartere mir den Kopf«, sagte Petrow, und rollte eine gut ausgereifte Zigarre zwischen seinen breiten spatelförmigen Fingerspitzen, »aber ich komme nicht auf diesen Grigorescu.«
»Nein, nein, Genosse Direktor. Es ist ein neuer Mann, ein Anfänger. Ein blutiger Anfänger, genau gesagt.«
»Mein Gott, gibt’s das auch noch heutzutage?« Er sah in das ernste Gesicht des Stenografen, der in sein Heft kritzelte. »Nein, Sekretär, würden Sie das bitte streichen … Danke. Nun, Genosse, was hat uns der kleine Grigorescu zu erzählen?«
Der kahlköpfige, untersetzte Mann im braunen Anzug schürzte die dicken Lippen und bewegte seinen Zeigefinger vor dem Gesicht wie ein Metronom. »Bitte erlauben Sie, dass ich meinen Bemerkungen einen Kommentar zu diesem Bericht voranstelle.
Genosse Direktor, ich bezweifle sehr, dass Sie auch nur ein Wort davon glauben werden –«
»Finden Sie das erstaunlich?« Petrow lächelte ungewollt. »Sie nehmen doch nicht an, dass ich dieses Zeug je glaube?« Er lächelte als Einziger im Raum. »Nein«, sagte er zum Sekretär,
»nein, das brauchen Sie auch nicht aufzunehmen. Also, Rogoschin, erzählen Sie Ihre unglaubwürdige Geschichte. Und gestatten Sie, dass ich mich korrigiere: Zurzeit bin ich geneigt, beinahe alles zu glauben. Also los …«
»Nun, ich erzähle von Anfang an.« Rogoschin runzelte die Stirn. »Der junge Grigorescu geht leider sehr ins Detail. Die Geschichte beginnt mit einem Amerikaner aus Boston namens Underhill und einem weiteren Amerikaner, der vor zweihundert Jahren an dem Ort Valley Forge gestorben ist …«
Eine Stunde später stand Maxim Petrow wieder in seinem sterilen Büro am Fenster und starrte auf die Menschenschlange auf dem Roten Platz. Die Schlange schien immer die gleiche zu sein, aber Petrow merkte, dass sich seine Stimmung verändert hatte. Er lächelte und staunte, wie absurd die Quellen der Heiterkeit manchmal sein konnten. Seine Gedanken
beschäftigten sich mit dem Harvard College in Cambridge, 33
Massachusetts. Das College gab ihm im Allgemeinen keinen Anlass zum Frohsinn, aber in diesem Moment war es die reinste Inspiration. Auf seinem linierten gelben Block standen drei Worte, sorgfältig doppelt unterstrichen. Er lachte sich eins, als er dem Fenster den Rücken zukehrte. Er würde gleich loslegen.
Es war einfach zu schön, um wahr zu sein … Er klingelte nach seinem Privatsekretär und heftete den
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