Arabellas Geheimnis
gerecht von ihr wäre, dabei zuzusehen, wie einer ahnungslosen Edelfrau von einem fahrenden Ritter in trügerischer Absicht der Hof gemacht wurde. Vielleicht sollte sie einmal diskret mit Lady Rosalyn sprechen.
„Maria“, setzte die Prinzessin ihre Rede fort, „wie ich gehört habe, soll Arabella zuvor noch nicht in Prag gewesen sein. Ich wünsche, dass Ihr eine Eskorte nehmt und sie morgen herumführt. Ich will nicht, dass sie London kennenlernt, bevor sie Prag nicht erlebt hat.“
Überrascht und entzückt schwor sich Arabella, sich diese Gelegenheit nicht durch Gedanken an Tristan Carlisle verderben zu lassen.
„Ich bin sehr gespannt.“
„Und ich auch, Prinzessin“, fügte Maria hinzu und machte mit der Selbstverständlichkeit einer Frau, die an einem Hof aufgewachsen war, an dem das Protokoll herrscht, einen vollendeten Knicks.
„Ihr müsst jedoch früh zurück sein, damit ihr nicht zu müde seid für unsere lange Reise.“
Prinzessin Anne überließ es Maria und Arabella, ihren Tag zu planen und verabschiedete sich von den beiden, um sich ihren anderen Gästen zu widmen. Und während Arabella froh darüber war, dieses Mal Tristan Carlisles Aufmerksamkeit entkommen zu sein, fragte sie sich, wie lange es wohl dauern würde, bis der Ritter sich an ihre Begegnung erinnerte. Würde er ihre Stellung bei Hofe mit Berichten über ihr unzivilisiertes Benehmen kompromittieren?
Oder bedeutete diese beunruhigende Empfindung, die der englische Kriegsmann in ihr ausgelöst hatte, sogar eine noch dunklere Gefahr?
Am anderen Ende des großen Saals stampfte Rosalyn de Clair unter den alles verbergenden, reich mit Juwelen geschmückten Röcken ihres Surcots ärgerlich mit dem Fuß auf, als Maria Natansia mit Arabella Rowan fortging. Rosalyn hatte versucht, Marias Aufmerksamkeit zu wecken, um diese albern lächelnde Gans am Hof als Verbündete zu gewinnen. Aber diese Hexe Arabella Rowan hatte Maria in ein Gespräch verwickelt.
Rosalyn hoffte, Maria, die für ihre mitfühlende Natur bekannt war, durch eine raffinierte Unwahrheit, die sie sich ausgedacht hatte, für sich einzunehmen. Jeder wusste, dass König Wenzel in sein Mündel vernarrt war. Rosalyn musste daraus nur ihren Nutzen ziehen. Und sie war sich sicher, dass ihr das gelingen würde. Hatte ihr Liebhaber einst nicht gesagt, sie wäre die hinterlistigste Frau, die er je getroffen hätte? Nachdem sie sich mit Klauen und Zähnen ihren Weg vom ausgesetzten Bastard bis hinauf in eine bedeutende Stellung unter den Edelleuten erkämpft hatte, betrachtete Rosalyn solche Bezeichnungen als ein Kompliment.
Sie wandte sich um und suchte nach einer anderen Begleitung für das abendliche Bankett. Maria konnte sie auch noch ein anderes Mal in die Enge treiben. Auf dem Weg nach England würde sich jede Menge Gelegenheit dazu bieten. Vielleicht sollte sie die Zeit nutzen und sich zum Umgarnen lieber einen englischen Edelmann suchen als jenen böhmischen Herrn, den sie sich vorsichtshalber schon einmal vorgemerkt hatte. Jeder wusste doch, dass in Böhmen heutzutage niemand mehr Geld besaß. Selbst König Wenzel hatte sich gedemütigt und schickte jetzt seine Schwester ohne Mitgift nach England. Es war eine Schande.
Oh ja, ein englischer Herr wäre viel nützlicher. Durch diese neue Entwicklung, die ihr Plan genommen hatte, fand Rosalyn wieder zu ihrem Lächeln zurück. Und wie das Schicksal so spielt, hatte sie gerade den hinreißendsten Engländer erblickt, den sie sich je hätte erträumen können.
3. KAPITEL
Alle vierzehn Tage fand in Prag am Ufer der Moldau ein Markt statt. Während ihre Kutsche dort vorüberrollte, sah Arabella überall leuchtende Farben und lebhafte Menschen. Hunderte drängten sich um die Stände der Händler und feilschten um Gemüse, Gewürze, Kleider, Tiere und Werkzeug. Zigeunerwagen versprachen Unterhaltung aller Art, vom Tanz bis zur Wahrsagerei.
Von all dem Treiben überrascht, war Arabella hingerissen von jeder neuen Entdeckung. Die Straßenmusikanten der Zigeuner beeindruckten sie genauso wie das venezianische Mosaik vom Jüngsten Gericht an der Wand des Veitsdoms. Jetzt war es der Markt, der Arabellas Neugierde weckte, und sie wollte ihn sich unbedingt näher anschauen.
„Wir haben doch Zeit anzuhalten, oder? Es ist alles so bunt.“ Arabella zupfte Maria am Ärmel, während sie ihren Kutscher aufforderte, anzuhalten. Sie sprang von dem kleinen Gefährt, das man ihnen für ihre Erkundungsfahrt zur Verfügung gestellt hatte, und
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