Arabellas Geheimnis
fragte sich kurz, ob es sich für eine Dame schickte, den Markt zu erkunden. Doch dann schob sie ihre Vorbehalte, was ihre Stellung am böhmischen Hof betraf, beiseite. Zaharia wäre sicher damit einverstanden. Arabella konnte schon den Kräuterduft riechen, der vom Stand einer weisen Frau zu ihr drang.
„Ich weiß nicht, Arabella. Unser Fahrer möchte uns vor Anbruch der Dunkelheit nach Hause bringen.“
„Wir bleiben doch nur kurz. Und noch Ewigkeiten nach unserer Abreise werde ich mich an diesen Markt erinnern, mehr als an die Universität oder an die Stadtpaläste.“ Sie ließ ihren Blick bereits über den Marktplatz schweifen und suchte nach jemandem, der ihr unbekannte Tinkturen oder Heilöle verkaufen würde. „Bitte?“
Maria biss sich auf die Lippen. Man sah ihr deutlich an, dass sie sich an diesem rauen Ort unwohl fühlte.
„Wenn du versprichst, dass wir uns nicht allzu lange aufhalten …“
Arabella drückte ihre Freundin kurz, bevor sie sie zu einer Bude zog, die von Stoffproben nur so überquoll. Vielleicht war so etwas mehr nach Marias Geschmack.
„Fass das hier doch einmal an. Ist das nicht der wahre Luxus?“, rief sie, als sie eine leuchtend bunte Seide mit einem exotischen Muster entdeckt hatte. Maria wählte zwei Ballen aus und nannte dem Händler ihren Namen, damit sie ihr geliefert wurden.
Maria verließ den Stand des Stoffverkäufers und geriet bald darauf mit einem anderen Händler ins Feilschen wegen eines juwelenbesetzten Kamms. Nun, da Maria sich vergnügte, hoffte Arabella die hiesige Kräuterfrau zu finden. Sich umblickend streifte sie durch die Menge, als eine große, schwarz gekleidete Gestalt ihre Aufmerksamkeit erregte.
Tristan Carlisle.
Arabella fühlte sich nicht in der Lage, der vertrauten Gestalt zu begegnen, die zwischen den Buden der Zigeuner hin und her lief und kurz mit einigen der Familien sprach, die die Buden besaßen. Arabella duckte sich hinter dem Stand eines Pastetenbäckers und beobachtete den englischen Ritter, wie er prüfend die Ware eines Silberschmieds betrachtete. Während sie ihn ansah, ohne von ihm wahrgenommen zu werden, stellte sie fest, dass sein Gesicht eigentlich ganz hübsch war. Wenn er nicht gerade finster dreinschaute.
Seine Augen jedoch musste man schön nennen. Sie waren von einem silbrigen Grau und von langen dunklen Wimpern umrahmt. Nach nur wenigen Tagen bei Hofe verstand Arabella bereits, dass die Damen dieses Königreichs bereit wären, ein Verbrechen zu begehen, um in den Besitz solcher Wimpern zu kommen. Die düsteren Brauen verliehen dem Ritter jedoch einen etwas furchterregenden Ausdruck, auch wenn er sie nicht runzelte. Den Rest seines Gesichts konnte man nur als hager beschreiben, mit einem harten, eckigen Kinn und hohen Wangenknochen.
Arabella errötete, als ihr klar wurde, wie genau sie Tristan Carlisle studierte, obgleich der doch ganz und gar keine hohe Meinung von Frauen hatte. Vermutlich war er die Art von Mann, vor der ihre Familie sie bei Beginn ihrer Reise gewarnt hatte.
Tristan blieb stehen, und während er einen fein gearbeiteten Gegenstand von dem ausgebreiteten Tuch voller Silberware aufhob und betastete, sprach er mit dem Jungen hinter dem Ladentisch. Arabella konnte erkennen, dass der Ritter ein kleines Messer in der Hand hielt.
Es war lächerlich, sich an ihn heranzuschleichen. Dennoch näherte sie sich vorsichtig. Plötzlich war sie neugierig und wollte wissen, was er den Jungen wegen des Messers fragte.
„… aus Indien“, hörte Arabella den Jungen zu Tristan sagen. „Ich selbst habe es den ganzen Weg hierher gebracht.“
Während der Junge prahlte, nahm Tristan den Dolch mit dem glatten Griff in die Hand. Arabella blickte voller Verlangen auf die kleine Waffe und dachte, dass sie genauso aussah, wie jene, welche sie verloren hatte, bevor sie nach Prag gekommen war.
„Kannst du deshalb eine immense Summe dafür fordern? Weil es dich auf der langen Reise zu Boden drückte?“ Tristan kniff den Burschen leicht in den Arm. „Du solltest öfter ein Schwert schwingen. Dann erschiene dir ein so leichtes Messer vielleicht nicht als so große Last.“
Sich in die Brust werfend, verteidigte sich der Junge mit dem Mut der Jugend.
„Es ist nicht so teuer, weil es so eine große Last war. Es kostet so viel, weil es das Messer einer Hexe ist. Es wird dazu benutzt, magische Kreise zu ziehen, um Dämonen anzubeten.“ Die letzten Worte flüsterte der Junge fast, gerade so, als teilte er dem Ritter ein
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