Arabellas Geheimnis
Unterschied machte es da, dass Tristan Carlisle diesem Urteil zustimmte?
Am meisten bedauerte Arabella an diesem Tage aber, dass sie die wichtigste Regel ihrer Großmutter missachtet hatte. Im Laufe des Nachmittags war sie zum Mittelpunkt des Interesses geworden.
Nachdem er einen fruchtlosen Nachmittag lang sich bemüht hatte, Antworten aus dem Händler herauszuquetschen, der Arabella überfallen hatte, begleitete Tristan Simon zurück zur Burg, um die Reisevorbereitungen fortzusetzen. Sie hatten erfahren, dass der Name des Mannes Ivan Litsen war. Doch über sein Motiv hatten sie herzlich wenig herausbekommen. Der Mann schien sich wegen seines Zusammentreffens mit Arabella wenig Sorgen zu machen, denn er versicherte Tristan, dass viele Männer in seinem Bekanntenkreis beim Anblick einer schönen jungen Frau ohne Begleitung, auf einem überfüllten Marktplatz das Gleiche getan hätten.
Wenn dem so war, warum hatte dann die Prinzessin Arabella und Maria erlaubt, in die Stadt zu fahren? Hatte Arabella Feinde bei Hofe?
„Arabella Rowan ist eine Hübsche“, stellte Simon fest, während er neben Tristan reitend vom Sattel aus den Horizont absuchte.
Seitdem sie die Gasse auf der anderen Seite des Marktes verlassen hatten, wo sie Litsen lang und breit befragt und ihn dann dem Gewahrsam der königlichen Garde übergeben hatten, versuchte Simon, ein Gespräch anzufangen.
„Leidlich hübsch.“ Tristan hatte keine Lust mit seinem Freund über diese Frau zu reden. Simons Appetit auf Zerstreuung durch die holde Weiblichkeit hatte bei ihren seltenen Ausflügen an den Hof des englischen Königs mehr als einen, auf den Schutz seiner Tochter bedachten Vater erzürnt.
„Bist du blind? Solche Schönheit ist bei einer Dame so selten, dass sie einem doch sofort auffällt.“
„Sie ist keine Dame.“ Tristan fragte sich, ob er bei Hof der Einzige war, der von Arabellas bäuerlichen Wurzeln wusste.
„Es freut mich, das zu hören. Somit haben sich in diesem Moment die Aussichten für unsere Heimfahrt gebessert.“
„Nein.“ Tristan hegte den Verdacht, dass er gerade geschickt beeinflusst wurde – sein Kumpan wollte sein eigenes Interesse an Arabella prüfen. Aber die Erkenntnis verhinderte nicht die Woge besitzergreifenden Gefühls, die ihn überkam, wenn er sich Simon zusammen mit dieser grünäugigen Schönheit vorstellte.
„Verzeihung? Sprach der Sultan des Schweigens etwa?“
„Sie ist nicht dein Typ von Frau, Percival, und wir beide wissen das. Du wolltest doch nur in Erfahrung bringen, wie ich auf dieses Mädchen reagiere. Warum fragst du nicht einfach?“ Verärgert, weil ihm klar wurde, dass er sich tatsächlich von Arabella angezogen fühlte – nein, er war mehr fasziniert als von ihr angezogen – besaß Tristan nicht die Geduld, leerem Gerede über sie lauschen zu müssen. Trotzdem hörte er zu, denn Simon war sein Bruder im Geiste, wenn auch nicht im Blut.
„Und ich glaubte, besonders schlau zu sein.“ Simon lachte. „Doch da du es mir anbietest, also, ich bin neugierig, was du über Lady Arabella denkst.“
„In einer der letzten Nächte, als wir auf dem Weg nach Prag unser Lager aufschlugen, stieß ich im Wald auf sie. Und da hatte sie wenig Ähnlichkeit mit der Hofdame, die sie hier der Prinzessin vorspielt.“ Er hatte damals sein Erlebnis nicht mit Simon geteilt. „Ich kann nicht sagen, ob die anderen Edelleute die Hochstaplerin in ihrer Mitte bemerkt haben oder ob Prinzessin Anne mit Absicht einen so großen Hofstaat wie möglich zusammengestellt hat, ohne auf die Herkunft ihrer Reisegefährtinnen Wert zu legen. Auf jeden Fall ist Lady Arabellas höfische Fassade eine Fälschung.“
„Vielleicht ahnt die Prinzessin nichts davon, und Arabella hat einfach ihren reizenden Körper dazu benutzt, einen Edelmann in ihr Bett zu locken, um auf diese Weise in den Hochzeitszug aufgenommen zu werden.“
„Ich überlasse es dir, die skandalösesten Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.“ Bei Gott, vor allen anderen hätte Tristan als Erster so etwas überlegen müssen. War er doch von einer Frau betrogen worden, die nach einer höheren Stellung verlangte, als ein niederer Ritter ihr hätte bieten können.
„Frauen müssen ihre Mittel einsetzen. Eine harte Lektion, die wir beide zu lernen hatten, Tristan. Meinst du nicht auch?“
„Da ist noch mehr.“ Mit wenigen Worten berichtete Tristan ihm von dem Messer, das er nach Arabellas Verschwinden in jener Nacht gefunden hatte. „Es kann ein
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