Arabiens Stunde der Wahrheit
die politisch einfluÃreiche Sekte der Drusen nicht im Stich lassen.
Die Ankunft in Beirut war ungemütlich. Es lag Spannung in der Luft. Die PaÃ- und Zollabfertigung verlief reibungslos. Aber von der üblichen Freundlichkeit war nichts zu spüren. Am Ausgang des Flughafens Khalde war die entscheidende Kontrolle zu passieren. Eine kleine Gruppe bärtiger Männer mit grünen Parkas und der unvermeidlichen Kalaschnikow musterte dort die Einreisenden. Es waren Partisanen der schiitischen »Partei Gottes«, die in Süd-Beirut die gemäÃigte, mit Damaskus eng kooperierende Miliz der schiitischen Amal-Bewegung verdrängt hatte. Ein dicklicher, sympathischer Araber mit schwarzem Schnurrbart kam eilig auf mich zu. Er stellte sich als mein Fahrer Mustafa vor.
DasHotel »Commodore«, das auf dem Höhepunkt des mehr als zehnjährigen Libanonkrieges die Weltpresse beherbergt hatte, war mir wohlvertraut. Auch hier herrschte ängstliche Lähmung. Die Portiers, mehrheitlich Palästinenser, tuschelten untereinander. Man müsse mit libyschen Repressalien rechnen. Doch Thomas Hegenbart, der mich in der Hotelhalle begrüÃte, schien von der schleichenden Bedrohung kaum beeindruckt. Er forderte mich unmittelbar nach Bezug meines Zimmers zum Aufbruch ins Drusen-Gebiet auf.
Der Fahrer Mustafa verstand sich trefflich darauf, die kritischen Ãbergangspunkte der jeweiligen konfessionellen EinfluÃzonen zu umgehen. Auf Schleichwegen lavierten wir zwischen den Fronten der Syrer, der maronitischen Kataeb, der Amal-Miliz und der Hizbullah. Jenseits der geballten schiitischen Flüchtlingszone im Süden der Hauptstadt wurden wir von schwerbewaffneten Männern in Tarnuniform und rotem Barett lässig kontrolliert. Wir hatten das EinfluÃgebiet der Drusen erreicht. Von nun an wähnten wir uns in Sicherheit, denn Walid Jumblat, der Warlord und Feudalherr dieser streitbaren religiösen »Taifa«, hatte uns eingeladen. Wir bewegten uns jetzt unter seinem Schutz.
An einem »road block« der Drusenmiliz wurde Mustafa in ein lebhaftes Gespräch verwickelt. Er kam aufgeregt zu uns gelaufen. »In der Umgebung von Bhamdoun sind drei ermordete westliche Geiseln gefunden worden«, berichtete er. Die Drusen hätten uns aufgefordert, dort hinzufahren. Wir kurvten jetzt an Aley vorbei durch jenen Teil des Libanon-Gebirges, der in friedlichen Zeiten vom wohlhabenden Beiruter Bürgertum als sommerliches Ferienressort ausgebaut worden war. Die stattlichen Villen aus Naturstein waren verlassen, teilweise zerstört. Kein Leben rührte sich unter den hohen Nadelbäumen. An einer Biegung stieÃen wir auf eine Gruppe drusischer Bauern mit den typischen schwarzen Bundhosen und der weiÃen Kalotte auf dem Kopf. Auch sie hatten von dem Leichenfund gehört und wiesen uns die Richtung.
Am Ende unserer Suche â wir befanden uns auf einem Macchia-bewachsenen Plateau â war das Terrain militärisch abgesichert. UnsereBerufung auf Walid Jumblat verschaffte uns freien Zugang zu einer Art Sanitätsstation, wo die Opfer des Terrors aufgebahrt waren. Es handelte sich um zwei Briten und einen Amerikaner, erklärte der wachhabende drusische Offizier. Man habe die Leichen etwa hundert Meter von der StraÃe entfernt in einem Dickicht Âentdeckt. Sie seien gefesselt gewesen und durch Genickschuà aus unmittelbarer Nähe liquidiert worden. Im Moment sei man mit ihrer Identifizierung beschäftigt und habe bereits zu amerikanischen und britischen Dienststellen Kontakt aufgenommen. Wer die Männer seien, darüber konnten die Drusen keine genaue Auskunft geben. Es war anzunehmen, daà die Exekution gegen angemessene Entlohnung im Auftrag libyscher Agenten vorgenommen worden war.
Die drei Leichen waren in Plastikhüllen verschnürt, so daà wir ihren Zustand nicht untersuchen konnten. Nur die nackten FüÃe blickten heraus. Wir verbrachten zwei Stunden mit dieser Totenwache. Die anwesenden Drusen waren über die feige Bluttat empört. Der Nachmittag war bereits fortgeschritten, da nahte aus dem Küstengebiet ein militärischer Konvoi. Die Ãberreste der Geiseln wurden auf einen Unimog geladen. Ein leichter Panzerspähwagen mit dem Wappen der Drusenmiliz setzte sich an die Spitze, ein Lastwagen voll Soldaten bildete den Schluà des Trauerzuges, der sich nun in Richtung Beirut bewegte. Wir folgten mit unserem Mercedes, und es bot sich
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