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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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uns ein feierliches, düsteres Schauspiel, als die wilden Gebirgskrieger die ermordeten Angelsachsen durch ihre Dörfer geleiteten. Die Bevölkerung war mit ernsten Mienen vor ihre massiven Steinhäuser getreten und verharrte in respektvollem Schweigen. Im Abendlicht gewann die rauhe Landschaft eine ergreifende Schönheit.
    Der Geleitzug erreichte die übervölkerten Vororte der Hauptstadt, wo Plakate mit dem Antlitz des Ayatollah Khomeini und des schiitischen Imam Mussa Sadr von allen Hauswänden blickten. Mussa Sadr hatte schon vor Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges im Auftrag Khomeinis die unterdrückte und armselige Schiiten-Bevölkerung zu neuem Selbstbewußtsein ermutigt und dieGrundlage einer schiitischen Miliz geschaffen. Dann verschwand er auf mysteriöse Weise bei einem Besuch in Libyen.
    Das Zentrum von Beirut war, wie üblich, durch ein Verkehrschaos blockiert. Der Zugang zum Hospital der »American University«, wo die Leichen einer Autopsie unterzogen werden sollten, schien versperrt. Die Drusen wußten sich zu helfen: Sie feuerten mit ihren Kalaschnikows in die Luft, nahmen eine drohende Haltung an, und schon öffnete sich eine Gasse für unseren Trauerzug.
    Vom amerikanischen Krankenhaus brachte Mustafa uns zum »Commodore« zurück. Die Hotelhalle war menschenleer. Schließlich kam ein verschüchterter Portier hinter seiner Theke hervor. Es sei etwas Abscheuliches passiert, berichtete er. Bei der Nachricht vom Mord an seinen Landsleuten hatte der britische Ka­meramann John McCarthy den nächsten MEA-Flug nach Europa gebucht und war in aller Eile zum Flugplatz geflüchtet. Offenbar war sein Evasionsversuch jedoch aus dem Hotel an eine bewaffnete Bürgerkriegsgruppe gemeldet worden. Zwei Kilometer vom »Commodore« entfernt war das Taxi McCarthys von vermummten Waffenträgern angehalten und der Kameramann entführt worden. An jenem Abend wußten wir natürlich noch nicht, daß unser englischer Kollege mehrere Jahre in der Haft seiner Peiniger verbringen mußte, ehe er nach unendlich zähen Verhandlungen wieder freikam.
    Ãœber Beirut brach die Dunkelheit herein. Der Verkehrslärm in der nahen Hamra Avenue verebbte und verstummte dann total. Thomas Hegenbart und ich waren die einzigen Gäste im Hotel. Das chinesische Restaurant im Parterre war seltsamerweise nicht geschlossen. Wir bestellten Frühlingsrollen und Krabben. Dann verzogen wir uns auf unsere Zimmer. Es sollte eine beklemmende Nacht werden. Wir waren jeden Moment darauf gefaßt, daß bewaffnete Unholde gebieterisch an unsere Tür treten würden, um uns in irgendein Verlies zu verschleppen.
    Die Nacht im Hotel »Commodore« war ohne Zwischenfall verstrichen. Gegen zwei Uhr war ich durch ein paar Schüsse geweckt worden. Am frühen Morgen beschlossen wir, keine Zeit zu verlieren.Das Hotel umfing uns wie eine tödliche Falle, und wir wollten schleunigst in das Hotel »Summerland« überwechseln, das – an der südlichen Corniche unmittelbar am Strand gelegen – zum Besitz eines reichen Drusen-Clans gehörte und entsprechend geschützt war. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand Mustafa vor einem kleinen Antiquitätenladen und der ehemaligen Nachtbar mit seinem Mercedes schon parat. Während wir unser leichtes Gepäck verluden, näherten sich zwielichtige Gestalten und fragten nach dem Ziel unserer Fahrt. Um dem Schicksal McCarthys zu entgehen, gab ich eine falsche Richtung an: Wir begäben uns zur deutschen Botschaftskanzlei, antwortete ich und erteilte Mustafa die Weisung, Kurs auf dieses verbarrikadierte und befestigte Gebäude zu nehmen, wo Angehörige des Bundesgrenzschutzes mit Mut und Gelassenheit – die Maschinenpistole stets in Reichweite – ihren Dienst versahen. Kurz vor Erreichen unseres angeblichen Ziels bogen wir abrupt zum »Summerland« ab.
    Wir atmeten auf, als uns die bulligen drusischen Posten am Hoteleingang durchwinkten. Im »Summerland« waren wir wie mit einem Zauberstab in eine ganz andere, irreale Welt versetzt. Der orientalische Superluxus der elitären Herberge wirkte in dieser Umgebung geradezu phantastisch. Der Service war perfekt. An der Rezeption standen elegante, hübsche Empfangsdamen. Von meiner Suite, die mit Samt und Seide drapiert war, öffnete sich die Tür auf ein prächtiges Schwimmbad. Dort tummelten sich in

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