Arabiens Stunde der Wahrheit
Reichweite von Sabra und Schatila â vom Grauen des Krieges und des Mordens scheinbar unberührt â die Angehörigen der libanesischen Oberschicht. Die jungen Männer waren sportlich gebräunt, die Mädchen bewegten sich lasziv in winzigen Bikinis. Das Schiitenviertel, wo fast alle Frauen den Tschador trugen, war nur einen knappen Kilometer von diesem Hort provozierender Permissivität entfernt.
Mustafa quittierte die wiedergewonnene Sicherheit mit einem strahlenden Lächeln. Nur ein paar Meilen hinter dem »Summerland« begann das EinfluÃgebiet der Drusen. Dorthin setzten wir uns nach einer kurzen Frühstückspause in Bewegung. Unser Fahrerhatte sich bei den drusischen Posten erkundigt, wo deren oberÂster Chef anzutreffen sei. Sehr viel später erst sollte ich erfahren, daà mein vermeintliches Refugium, das Hotel »Summerland«, wo ich mich sicher wie in Abrahams Schoà gefühlt hatte, eine höchst verletzliche Oase der Geborgenheit war. Potentielle Geiselnehmer wurden zwar längs der KüstenstraÃe gegenüber den Palästinenser-Slums durch schlagkräftige Drusenkrieger auf Distanz gehalten. Der Strand hingegen und die offene Meerseite blieben völlig unÂgeschützt. Von dort aus sollten zwei Jahre später jene Entführer kommen, die die beiden deutschen Siemens-Ingenieure Rudolf Cordes und Alfred Schmidt in die Kerker der libanesischen Bürgerkriegsszene verschleppten.
Schurkenstaat
Vollends zum »Schurkenstaat â rogue state« wurde die Jamahiriya Qadhafis, als über dem schottischen Städtchen Lockerbie im Dezember 1988 eine Linienmaschine der PanAm explodierte und 270 Menschen in den Tod riÃ. Der Verdacht der Täterschaft richtete sich eindeutig auf Agenten des libyschen Geheimdienstes. Ein ähnlicher Anschlag fand ein Jahr später gegen ein französisches PasÂsagierflugzeug der Linie UTA statt, das über der Republik Niger abstürzte. 170 Passagiere kamen dabei ums Leben. Durch Zahlung enormer Entschädigungssummen an die betroffenen Familien â die Scharia sieht in solchen Fällen bei Einverständnis der beÂtroffenen Familien das sogenannte Blutgeld vor â hatte sich der libyÂsche Tyrann noch einmal freikaufen können. Durch seine AufÂtragsmörder lieà Qadhafi eine Vielzahl von Oppositionspolitikern, die im Ausland Asyl gesucht hatten, in den jeweiligen Zufluchtsorten umbringen. Auf die Opposition im Innern reagierte er mit nacktem Terror.
Die zahlreichen Sanktionen und Embargos, die über Libyen verhängtwurden, konnten dem Machthaber wenig anhaben, verfügte er doch dank der immensen Petroleumvorkommen, die das Land besitzt, über die Möglichkeit, sich immer wieder neue Klienten und Komplizen zu verschaffen. Wirklich ernst wurde es für ihn, als die westlichen Nachrichtendienste feststellten, daà dieser globale ÂUnruhestifter sich über das pakistanische Netzwerk des Wissenschaftlers Abdel Kader Khan anschickte, eine eigene Atombombe zu bauen. Sehr weit ist er damit nicht gekommen. Hingegen ÂentÂwickelte er seit einiger Zeit ein umfassendes Programm zur Schaffung von chemischen Kampfstoffen. Da die deutsche Firma »Imhausen-Chemie« angeblich an diesem Vernichtungsprogramm beteiligt war, erfuhr der Bundesnachrichtendienst relativ früh von dieser zügig betriebenen Produktion von Giftgasen.
Ich war zu jener Zeit Chefredakteur des Stern und wunderte mich, vom damaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes in Pullach zum Mittagessen eingeladen zu werden. Es wurden mir bei dieser Gelegenheit detaillierte Pläne und Zahlen über den Industriekomplex Rabta vorgelegt, der seine militärische Zielsetzung unter dem Namen »Pharma 2000« zu tarnen suchte. Absicht des BND war es wohl, auf die libysche Giftgasproduktion und die darÂaus resultierenden Gefahren aufmerksam zu machen. Der deutsche Nachrichtendienst wollte durch die Veröffentlichung dieses Skandals in einem groÃen Magazin die deutsche Ãffentlichkeit und die verantwortlichen Politiker wachrütteln, ja eventuell wirksame GegenmaÃnahmen anregen.
Daà in Fragen nuklearer und chemischer Aufrüstung die Amerikaner keinen Spaà verstanden, ja teilweise über ihre eigentlichen Ziele hinausschieÃen könnten, muÃte Qadhafi zur Kenntnis nehmen, als George Bush senior den Feldzug »Desert Storm« sowie vor allem sein Sohn
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