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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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denen nur Verachtung spricht. An wen sollen wir uns noch klammern, an den Verrückten etwa, ›el Mahbul‹, wie wir hier Qadhafi nennen? Es ist doch lächerlich und unerträglich, daß die riesige arabische Umma durch den israelischen Zwerg terrorisiert und gegängelt wird. Da behaupten unsere Führer immer, die Zionisten würden über das ganze jüdische Kapital des Westens verfügen. In Wirklichkeit kassieren die Saudis astronomische Summen, weit mehr als die Juden-Kollekten einbringen, und wir vermögen nichts. Seit Gamal Abdel Nasser haben wir keinen Staatsmann mehr gehabt, den wir respektieren.«
    Auf meiner damaligen Suche nach islamischen Fundamentalisten wurde ich an die Scharia-Fakultät der »Jordan University«, an die koranische Rechtsschule, verwiesen. Auf dem ausgedehnten, schattigen Campus mit schmucken Natursteinbauten traf ich den Professor Alim Ibrahim Zeid el-Keilani, dessen angesehene Fa­milie aus der Gegend von Hebron stammte. In der Scharia-­Fakultät trugen die jungen Männer Bärte. Die Mädchen waren verschleiert. Scheikh Keilani überraschte mich mit seinem rötlichen Backenbart und den hellen Augen. Auf Weisung des Königs durfte er nicht längerin den Moscheen predigen. Seine geistlichen Thesen vertrugen sich nicht mit den Weisungen des Hofes. Er erwähnte die Tatsache, daß die Mekka-Pilger in Jordanien immer zahlreicher würden und daß diese »Hujjaj« wesentlich jünger seien als früher.
    Zwei Irrwege hätten die Entwicklung des Orients seit Beginn des Jahrhunderts gekennzeichnet, erklärte er. Im theologischen Bereich habe die Ulama-Bewegung eine falsche Richtung eingeschlagen. Die Koran- und Scharia-Gelehrten hätten auf eine strikte Orthodoxie, auf die wörtliche Exegese der Heiligen Schriften und Überlieferungen gedrungen und manchen obskurantistischen Aberglauben, wie er vielerorts vegetierte und die wahre Botschaft verzerrte, ausgeräumt. Aber die Ulama seien fast überall in die Abhängigkeit der weltlichen Herrscher geraten, sie hätten sich als deren Instrumente mißbrauchen lassen. Die Beispiele des religiösen Opportunismus im Dienste verbrecherischer Potentaten seien nicht mehr zu zählen. In Saudi-Arabien hätten die Wächter der Wahhabiten-Gemeinde dem sittenlosen Prinz Fahd auf den Thron verholfen. Das Ende des Lehrmonopols dieser Schriftgelehrten sei gekommen. Auf der Suche nach neuer, spontaner Frömmigkeit wende sich gerade die junge Generation von den alten Turbanen ab.
    Â»Der andere Irrweg«, so fuhr Keilani fort, »war der panarabische Nationalismus.« Seltsamerweise tauchten hier die Argumente Fauzis wieder auf. »Gamal Abdel Nasser gilt weiterhin bei vielen ­Orientalen als der große Rais.« In Wirklichkeit habe seine Ideologie des arabischen Sozialismus nur Schaden, Spaltung und Verwirrung gestiftet. »Ein frommer pakistanischer Muslim ist wertvoller und gottgefälliger als ein lauer arabischer Muslim. Nicht die arabische Nation, sondern die gesamt-islamische Umma reflektiert den Willen Allahs.« Ob man das Ideal der Identität von Religion und Staat im Rahmen eines Königreichs oder einer Republik verwirkliche, sei relativ unwichtig. Immerhin sei seit Abschaffung des Kalifats durch Atatürk ein Vakuum entstanden, und die geheime Hoffnung bestehe, daß die Statthalterschaft Gottes auf Erden eines Tages in dieser oder jener Form wieder restauriert werden könne.
    Â»Wir Araber waren drauf und dran, uns in den westlichen Scha­blonenvon Nationalismus und Sozialismus zu verstricken, unsere islamische Eigennatur preiszugeben«, grübelte Scheikh Keilani. »Ausgerechnet die Zionisten mit ihrer Berufung auf Abraham und Moses, mit ihrem uneingestandenen, aber zutiefst theokratischen Staatskonzept haben uns auf den rechten Weg zurückgedrängt. Die Juden – wie so oft in ihrer langen Geschichte – sind auch heute noch, auf schwer erklärliche Weise, Instrumente des göttlichen Willens.«

Libyen
    Â»â€¦ to the shores of Tripoli«
    Qadhafis Warnung
    Beirut, Juni 2011
    Alsosprach Muammar el-Qadhafi über die Bedrohung des Abendlandes, nachdem die ersten freiheitlichen Unruhen auch auf Libyen übergegriffen hatten: »Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete

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