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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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obwohl sicher keiner der Anwesenden über die geheimnisvolle und recht abseitige Sekte der Drusen auch nur annähernd Bescheid wußte.
    Manbot mir eine Tasse Kaffee an, und schon war ich einbezogen in die brüderliche Stimmung islamisch-arabischer Frontstellung gegen die verderblichen Machenschaften der westlichen Aggressoren. An jenem Tag im August 1958 hatte ich geahnt, daß dem Regime des Königs Idris, der der stolzen Überlieferung seiner Vorfahren den Rücken gekehrt hatte, ein baldiges Ende gesetzt würde, auch wenn ich nicht wissen konnte, daß eine Gruppe junger Of­fiziere der libyschen Armee, angeführt von einem Beduinensohn ­namens Qadhafi, bereits fieberte, dem nasseristischen Beispiel zu folgen, und den Putsch vorbereitete, der in der folgenden Dekade das Schicksal der Senussi-Dynastie besiegeln sollte.
    *
    Wer vor den grandiosen Ruinen von Leptis Magna steht, wird ­dar­an erinnert, daß das heutige Libyen einst zu den Kornkammern des Römischen Reiches zählte. Er muß feststellen, daß nach den Stürmen der Vandalen und der Wiederherstellung der byzantinischen Herrschaft durch den General Belisarius der Einbruch immer neuer kriegerischer arabischer Beduinenstämme die blühende landwirtschaftliche Produktion zugunsten einer kargen Nomadengesellschaft von Hirtenvölkern reduziert hat. Etwa zweihunderttausend Familien der Beni Hilal und Beni Sulaim hatten um das Jahr 1000 nicht nur den arabischen Sprachgebrauch, sondern eine gründliche Islamisierung eingeleitet.
    Hatte der Malteserorden noch versucht, einige Küstenstädte als Vorposten des Abendlandes zu halten, setzte die osmanische Eroberung jeder europäischen Präsenz am Golf von Sirte ein Ende. Ab 1500 verwandelten sich die Mittelmeerhäfen von Tripolis, ­Algier und Tunis zu gefürchteten Bastionen muslimischer Korsaren. Das hemmungslose Piraten-Unwesen, das die christliche Schiffahrt in Geiselhaft nahm, sollte bis ins späte neunzehnte Jahrhundert andauern. In der heutigen Hauptstadt Libyens hatte – im Auftrag des Sultans und Kalifen von Istanbul – die albanische ­Dynastie Karamanli die Oberhoheit über die Seeräuber an sich gerissen,während im Hafen und im Hinterland von Algerien die türkische Dominanz durch eine Rivalität zwischen einem Kontingent von Janitscharen, also zwangsrekrutierten Christen, und dem Kommandeur der Kaperflotte, des »Amir el-Riyasat«, der nominellen Statthalterschaft des osmanischen »Dey« einen prekären Vorrang sicherte.
    Zur Zeit des Pascha Yussef Karamanlis kam es im Jahr 1801 zu einem denkwürdigen Zwischenfall. Um den eben gegründeten Vereinigten Staaten von Amerika die Sicherheit ihrer Schiffahrt zu garantieren, hatte dieser Piratenhäuptling einen jährlichen Tribut von 250000 Dollar verlangt, aber Präsident Jefferson fand sich allenfalls zu einer Zahlung von 18000 Dollar bereit. Darauf folgte die Verwüstung des amerikanischen Konsulats in Tripolis. Als die USA die Fregatte »Philadelphia« ausschickten, um mit ihren 44 Kanonen die libysche Küste zu beschießen, strandete die Strafexpedition in den seichten Gewässern, und dreihundert US-Sailors gerieten in Gefangenschaft. Drei Jahre später ging eine Truppe von Amerikanern, verstärkt durch örtliche Söldner, in der Cyrenaika an Land und eroberte die Stadt Derna. Nach schwieriger Verhandlung kamen Jefferson und der Pascha schließlich überein, daß die gefangenen Matrosen gegen die Zahlung eines Lösegeldes freigekauft wurden. Dieses nicht sonderlich ruhmreiche Abenteuer wird in dem flotten Marschlied der U.S. Marines bis heute verewigt. »From the hills of Montezuma to the shores of Tripoli …«, beginnt diese Hymne: »Von den Hügeln des Aztekenherrschers Montezuma bis zum Strand von Tripolis …«
    Von dauerhafter Bedeutung war die Expansion der strenggläubigen Senussi-Bruderschaft, die – 1837 in Mekka gegründet – ihren Schwerpunkt im Djebl Akhdar in der Cyrenaika etablierte und von dort aus mit ihren Kultstätten der »Zawiya« in Tripolitanien und auch jenseits der Sahara auf die diversen Emirate der Sahelzone übergriff. Der französische Oberst Ordoni hatte in seinen Me­moiren folgendes über die Senussiya festgehalten: »Die Bedeutung dieser bedrohlichen Bruderschaft ist bemerkenswert. Sie zählt mindestens 150 weit verstreute Zawiya,

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