Arabiens Stunde der Wahrheit
israeÂlischemNummernschild. Im Hotel war mir schon aufgefallen, daà die Jerusalem Post am Zeitungsstand aushing. Aber daà die Busse der »Egged Tours« aus Tel Aviv so demonstrativ durch die ägyptische Hauptstadt fuhren, wirkte fast wie eine Provokation. Die Normalisierung nach Camp David hatte sich also doch auf erstaunliche Weise konkretisiert.
Es gesellten sich ein paar zusätzliche Passagiere zu uns, sieben insgesamt: Israeli, die einen Ausflug nach Kairo gemacht hatten, und zwei ägyptische Frauen, die wohl aus familiären Gründen nach Gaza wollten. Die beiden stämmigen Chauffeure aus Tel Aviv traten sehr selbstbewuÃt auf. Es nahmen zwei muskulöse Ãgypter in dem Egged-Bus Platz, und man sah ihnen an, daà sie irgendeinem Sicherheitsdienst angehörten. Während der Ausfahrt durch Kairo bis jenseits des Suezkanals begleitete uns ein kleiner weiÃer Polizeiwagen und bot einen sehr theoretischen Schutz. Die israelischen Fahrer sprachen nicht Arabisch. Ihr Umgang mit den beiden ägyptischen Schutzengeln war ausgesprochen jovial. Die Ãgypter boten Zigaretten an, und man versuchte, auf englisch ein wenig zu scherzen. Längs der Autobahn nach Ismailia zog die Wüste vorbei mit Panzeransammlungen, exerzierenden Soldaten, Radarstationen. Am Kanal bogen wir nach Norden ab und überquerten den Wasserweg auf einer Fähre. Wir wurden vor den wartenden ägyptischen Fahrzeugen bevorzugt eingewiesen. Jenseits von El Qantara, das von Kriegsspuren gezeichnet blieb, erinnerte eine verblichene arabische Inschrift, »Zehnter Tag des Ramadan«, an die erfolgreiche Kanalüberschreitung unter Sadat. Hier verabschiedeten sich die beiden ägyptischen Sicherheitsbeamten von den israelischen Chauffeuren mit dem Gruà »Schalom«.
Die Sinai-Wüste nahm uns auf. Immer noch lagen vernichtete Panzer weit verstreut. Daneben kampierten Beduinen unter Zelten und in Blechhütten. In der Stadt El Arish hatte Präsident Mubarak das Aufbauwerk seines Vorgängers zügig fortsetzen lassen. Am weiÃen Mittelmeerstrand wurde eifrig am »Sinai Beach Hotel« gearbeitet. Es folgten noch einige Armeecamps der Ãgypter. Auch die blaue Fahne der Vereinten Nationen war gelegentlich zu sehen. Wirdurchquerten die militärisch verdünnte Zone, die der israelischen Grenze vorgelagert ist und von den Amerikanern überwacht wird. Der Grenzübergang vollzog sich ohne Dramatik, zügiger als erwartet. Die Zoll- und Sicherheitsüberprüfung entbehrte jeder Schikane. Sehr bald setzte sich die Tour nach Norden fort. Im Gaza-Streifen gingen die Frauen verschleiert. Die Siedlungen der Palästinenser wirkten nach 35jährigem Lagerleben immer noch Âimprovisiert und dürftig. Aber so sehen auch ganz normale Dörfer in Syrien, Jordanien oder Ãgypten aus.
Mit der Ãberschreitung der alten Staatsgrenze Israels änderte sich plötzlich das Bild. Wir fuhren durch ein nahöstliches Kalifornien mit Zitrusplantagen, so weit der Blick reichte. Die jungen Menschen trugen bunte, leichte Sommerkleidung. Grelle Reklameschilder verstellten die Landschaft. So banal ging es also heute zwischen Ãgypten und Israel zu. Ich erinnerte mich an das Jahr 1968, als ich zwischen den Bunkern der Bar-Lev-Linie â die ägyptischen Stellungen jenseits des Suezkanals im Rücken â einen Fernsehkommentar über die zwangsläufige Feindschaft zwischen Pharao und Israel formuliert hatte. Wie unberechenbar der Orient doch war! Wie sehr der politische Beobachter doch immer wieder Gefahr lief, gerade anhand von analytischen Betrachtungen und geschichtlichen Parallelen zu falschen Schlüssen zu kommen. Mit meinen Kassandrarufen kam ich mir plötzlich etwas lächerlich vor angesichts dieser friedlichen Grenze bei Rafah.
In Tel Aviv endete die Fahrt auf dem chaotischen Bus-Bahnhof, ein Stück Galizien unter der Mittelmeersonne, wo fromme Juden mit schwarzen Hüten und Bärten achtlos an kessen, braungebrannten Mädchen in Hotpants vorbeisahen. Nichts deutete darauf hin, daà zwei Tage zuvor Verteidigungsminister Ariel Scharon den Befehl zum GroÃangriff nach Norden erteilt hatte, daà die Panzer Zahals in Richtung Beirut vorpreschten und die palästinensischen »Fedayin« zu Paaren trieben. Ein Taxi fuhr mich zu den felsigen, kühlen Höhen von Judäa. Jerusalem lag bereits im rosa Abendlicht. War meine ganze Berichterstattung
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