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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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ausweichenden schwarzen »mercenaries«, die schwerbewaffnet und in kriegerischer Stimmung in ihre Heimatländer zurückstreben. Sie könnten die ganze Region ins Wanken bringen.
    Sogar auf den Koloß Nigeria hat der militante Islam ja längst übergegriffen in den nördlichen Emiraten und Sultanaten. Diese einst britischen Schutzgebiete stehen in scharfem Gegensatz zum christlich-animistischen Süden Nigerias. Von der Provinz Maiduguri unweit des Tschad-Sees ausschwärmend, hat sich eine fanatisch islamische Kampfgruppe gebildet, die mit Feuer und Schwert gegen die Ungläubigen vorgeht. Die schwarzen Eiferer haben sich unter der Losung »Boko Haram« zusammengerottet, was mit »Verbot allen westlichen Einflusses« übersetzt werden kann. In ­Bamako, der Hauptstadt von Mali, erschien ein Internet-Artikel unter dem dümmlichen, aber unheimlich klingenden Titel: »Tripolis OK – Sahel KO«.

Bahrein
    Glaubenskampf am Persischen Golf
    Die Bunker der Hizbullah
    Beirut, November 2009
    DieSicherheit Israels sei ein »Teil der deutschen Staatsräson«, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel offiziell verkündet. Man kann es also gar nicht vermeiden, den Judenstaat in die Betrachtungen über die sukzessiven Revolten einzubeziehen, die die arabische Welt in Hochspannung halten. Der Antizionismus hat bei den bisherigen Kundgebungen und Protesten zwischen Maghreb und Maschreq keine nennenswerte Rolle gespielt. Aber in Jerusalem ist man hellhörig geworden, seit der Mossad offenbar die Vorboten des »Arabischen Frühlings« nicht rechtzeitig zu erkennen vermochte.
    Feldmarschall Tantawi, der provisorische Nachfolger Mubaraks, hat verkündet, daß er den Friedensvertrag mit Israel, den Anwar es-Sadat mit seinem Leben bezahlte, nicht in Frage stellen will. Aber atmosphärisch hat sich doch etwas verändert. Zum ersten Mal ­haben zwei iranische Kriegsschiffe den Suezkanal passiert, um im syrischen Mittelmeerhafen Lattaqiya anzulegen. Der bislang fest versiegelte Grenzübergang vom ägyptischen Sinai zum palästinensischen Gaza-Streifen hat sich für einen begrenzten Personenverkehr und die Lieferung von Lebensmitteln geöffnet. Im bevorstehenden Wettkampf der Parteien zur Wahl des neuen ägyptischen Parlaments wird mit Sicherheit die im Volk tief verankerte AblehnungIsraels propagandistisch ausgeschlachtet werden. Noch einmal einen verlustreichen Feldzug gegen Zahal zu führen, daran denken wohl die wenigsten, aber es könnten neue Spannungen entstehen, wie in der Zeit, als Gamal Abdel Nasser mit der Sperrung der Straße von Tiran dem Staat Israel den Zugang zum Roten Meer zu blockieren drohte. Das israelische Oberkommando, das bislang im Vertrauen auf die Vernunft und die Mäßigung Hosni Mubaraks seine Südfront am Sinai von Truppen weitgehend entblößen konnte, wird in Zukunft auch in der Negev-Wüste auf alles gefaßt sein müssen. Vor zwei Jahren war ich bei El Qantara über die neue, hochgeschwungene Brücke, die auch Schiffen großen Volumens die Passage durch den Suezkanal erlaubt, auf die Sinai-Halbinsel gefahren. Mein Ziel war die umstrittene Stadt Rafah, wo das ägyptische Territorium an den palästinensischen Gazastreifen grenzt.
    Nachdem ich von der ägyptischen Seite der sogenannten Phi­ladelphia-Achse einen Blick auf die blau-weiße Flagge mit dem ­Davidstern geworfen habe, lasse ich mir von einem ägyptischen Major das Netzwerk der unterirdischen Tunnel auf dem Bildschirm erklären, durch die die arabischen Einwohner von Gaza einen prekären Kontakt mit der Außenwelt aufrechterhalten. Die Hamas-Bewegung schmuggelt über diese Schläuche, für die nur eine Breite von höchstens acht Kilometer zur Verfügung steht, zweifellos auch Waffen ein. Dabei muß ich an eine Episode aus dem Jahr 1982 denken, die ein bezeichnendes Licht auf den unermüdlichen und ergebnislosen Friedensprozeß im Heiligen Land wirft.
    *
    Es war ein Jahr nach der Ermordung des Präsidenten Sadat. General Mubarak hatte dessen Nachfolge angetreten. Kairo lag im frühen Dämmerlicht. Neben einem österreichischen Studenten saß ich ziemlich verlassen auf der Bank eines sandigen Hinterhofs, der seinen anspruchsvollen Namen »Sinai Terminal« nicht verdiente. Ich traute meinen Augen nicht. Um die Straßenecke kam ein rot-weiß lackierter Reisebus mit hebräischen Inschriften und

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