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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Franzosen verwies der Blick über die unendliche Wüste, die sich von der Mittelmeerküste bis zum Tschad-See erstreckt, auf die erste rühmliche Waffentat, die das kleine Häufchen der »Français libres« des General de Gaulle an ihre Fahne mit dem Lothringer Kreuz heften konnte. Die Episode erscheint marginal, aber für die französische Résistance signalisierte sie Hoffnung und Stolz. Nach der Niederlage von 1940 und Bildung des mit Deutschland kollaborierenden Systems von Vichy hatten sich die meisten französischen Kolonien der Oberhoheit des Marschall Pétain unterstellt und dem unbekannten Brigadegeneral de Gaulle die kalte Schulter gezeigt, mit Ausnahme der französischen Besitzungen in Äquatorialafrika. Kongo-Brazzaville bekannte sich zum Widerstand, und Gabun wurde durch einen Handstreich der »Freien Franzosen« eingenommen. Die Ambitionen eines jungen Kavallerieoffiziers, der sich Leclerc nannte, in Wirklichkeit unter dem adeligen Namen de Hautecloque in der Normandie geboren war, richteten sich auf die endlose Öde der Tschad-Kolonie, die in Berührung zu den italienischen Afrikatruppen Mussolinis stand. Der Tschad war auf Grund eines seltsamen Zufalls zu de Gaulle übergegangen. Der amtierende Gouverneur in Fort Lamy, das heute Ndjamena heißt, war ein schwarzer Antillen-Franzose namens ­Félix Eboué. Als Folge der Rassentheorien, die das Pétain-Regime vonVichy weitgehend übernommen hatte, besaß Eboué keine Chance, auf seinem Posten zu verbleiben. Also schloß er sich den Exilfranzosen von London an.
    Daß der Major de Hautecloque, der binnen kurzer Frist zum General Leclerc avancieren sollte, es fertigbrachte, eine Kolonne zusammenzustellen, die auf die vorgeschobenste italienische Position in der Oase Kufra vorrückte, war ein gewagtes Bravourstück. Er verfügte über eine begrenzte Zahl französischer Kolonial-Infanteristen, über ein oder zwei Kompanien schwarzer Tirailleurs und ein paar Fremdenlegionäre, als er auf morschen Lastwagen und störrischen Kamelen nach Norden aufbrach. Die Eroberung der Oase Kufra, deren italienische Garnison den Franzosen weit überlegen war, erfolgte im Handstreich am 1. März 1941. Leclerc ließ seine buntgemischte Truppe vor der französischen Flagge antreten und leistete den legendären »serment de Koufra«. Mit diesem feierlichen Eid verpflichtete er sich, den Krieg gegen die Achsenmächte und insbesondere Deutschland so lange zu führen, bis die Trikolore wieder über dem Straßburger Münster wehen würde. Das klang wie eine Geste gallischer Großmannssucht. Aber Leclerc, der im Auftrag de Gaulles auch den Fezzan okkupierte, sollte im Sommer 1944 an der Spitze der »Deuxième division blindée« als erster in das befreite Paris einrücken. General Eisenhower hatte die Eleganz besessen, den Franzosen den Vortritt zu lassen. Im Herbst kampierte die Zweite Panzerdivision auf den Vogesenhöhen bei Phalsbourg, als General Leclerc gegen die ausdrückliche Weisung des amerikanischen Oberkommandos in die Rheinebene vorstieß, die dort stationierten Deutschen buchstäblich aus dem Schlaf riß, sich der Hauptstadt des Elsaß bemächtigte und – tatsächlich am 23. November 1944 – die blau-weiß-rote Trikolore über den Türmen der »Cathrédale de Strasbourg« hißte.
    Vielleicht weckte der Einsatz in Tripolitanien auch bei den Briten eine nostalgisch-patriotische Besinnung, konnte man doch des verflossenen Ruhms des Empire gedenken und jener entscheidenden Offensive des Generals Montgomery bei El Alamein, die das Ende der deutschen Präsenz in Nordafrika besiegelte. Es gehört wohlviel Phantasie dazu, und für manche mag es lächerlich klingen, aber eine deutsche Beteiligung am Lufteinsatz über Libyen hätte die Waffenbrüderschaft mit den Gegnern des Zweiten Weltkrieges bekräftigt und einen Feldzug der Wehrmacht unter dem auch von den Briten bewunderten »Wüstenfuchs« Rommel ins Gedächtnis gerufen, der über jeden Tadel erhaben war. Jedenfalls wäre eine solche Präsenz in unmittelbarer Nähe unseres Kontinents sehr viel sinnvoller gewesen als die end- und aussichtslose Stationierung der Bundeswehr am Hindukusch.
    *
    Der Übergangsrat von Bengasi hatte in einem Aufruf an seine Kämpfer dazu aufgefordert, die Versöhnung mit den »Loyalisten« im Auge

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