Arabiens Stunde der Wahrheit
überhaupt etwas Wesentliches geändert in der amerikanischenOrient-Strategie, seit George W. Bush durch Barack Obama abgelöst wurde? Zu Beginn seiner Amtszeit hatte der neue Präsident mit seiner begeisternden Rede von Kairo groÃe Hoffnungen geweckt. Heute kann man über ihn den amerikanischen Starjournalisten Seymour Hersh zitieren, der am 21. Mai 2007 im Sender CNN seine Enthüllungen preisgab. Hersh stand noch unter dem Eindruck des »orientalischen Vietnam«, das Zahal im Sommer 2006 bei seinem Vorstoà gegen die schiitische Hizbullah des Libanon erlitten hatte, als er bemerkte: »Die Schlüsselrolle spielt Saudi-Arabien. Was ich (Hersh) beschrieb, war eine Art Privatübereinkommen, das zwischen dem WeiÃen Haus â wir reden hier von dem Vizepräsidenten Dick Cheney und Elliott Abrams, einem wichÂÂtigen Berater des US-Präsidenten â und Prinz Bandar bin Sultan (dem nationalen Sicherheitsberater Saudi-Arabiens und früheren Botschafter in Washington) abgeschlossen wurde. Deren Idee war es, verdeckte Hilfe von den Saudis zu erhalten, um verschiedene Jihad-Hardliner aus dem sunnitischen Lager vor allem im Libanon zu unterstützen, die im Falle einer Konfrontation mit der Hizbullah, der schiitischen Gruppierung im Südlibanon, als Aktivposten eingesetzt würden. So einfach war das. Wir sind im Geschäft, wenn es darum geht, wo auch immer möglich, die Sunniten gegen die Schiiten zu unterstützen, gegen die Schiiten im Iran, gegen die Schiiten im Libanon und gegen deren Führer Nasrallah. Das ist Bürgerkrieg. Wir sind daran beteiligt, in einigen Gegenden, insbesondere im Libanon, konfessionelle Gewalt zu erzeugen.«
Die seltsame Assoziation zwischen Washington und Er-Riyad setzt sich auch in Syrien fort. Die wenigsten hatten erwartet, daà Präsident Bashar el-Assad, ein in England ausgebildeter Augenarzt, mit ähnlicher Ruchlosigkeit gegen seine politischen Gegner, gegen die »Freiheitskämpfer«, vorgehen würde wie sein verstorbener ÂVater Hafez el-Assad. Obama hat, wie so viele andere Staats- und Regierungschefs, den Machthaber von Damaskus zum Einlenken, zur Beendigung des BlutvergieÃens aufgefordert. Daà er aber diese drängende Mahnung in einem gemeinsamen Appell mit König Abdullah von Saudi-Arabien vortrug, konnte dort nur als zusätzliche Solidarisierungmit dem übelsten arabischen UnterdrückungsÂsystem ausgelegt werden, einem Regime, das den christlichen UnÂgläubigen nicht einmal erlaubt, mit einem Kreuz oder dem EvanÂgeÂlium in sein Land einzureisen, geschweige denn, dort einen Gottesdienst abzuhalten. Gemessen an der heuchlerischen Tyrannei des Hauses El Saud erschien selbst das autoritäre Unterdrükkungssystem der Baath-Partei von Damaskus mit all seinen Tücken als eine schwer erträgliche, aber relativ säkulare Form der Despotie.
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Immer wieder werden wir auf die fundamentale Gegnerschaft zwischen Saudi-Arabien und Iran verwiesen. In diesem Zusammenhang kommt der kleinen Insel Bahrein im Persischen Golf eine überdimensionale Bedeutung zu. Wer redet denn noch vom Aufbegehren der »Arabellion«, von den »Märtyrern der Freiheit«, von der Masse der Unterdrückten in diesem Mini-Staat von 1,2 Millionen Einwohnern, dessen Emir Isa Ibn Salman el-Khalifa sich selbst zum König, zum »Malik«, ausgerufen hat? Die schiitische Gemeinde stellt auf Bahrein siebzig Prozent der Bevölkerung dar. ÂDeren massives Aufgebot stand im Begriff, die sunnitische Unterdrückung durch das Herrscherhaus el-Khalifa abzuschütteln. In seiner Bedrängnis rief der Malik die benachbarten Saudis zu Hilfe. Mit diskreter amerikanischer Zustimmung rollten die Panzer ÂKönig Abdullahs über die 26 Kilometer lange Brücke â »King Fahd CauseÂway« genannt â, die sich in eleganten weiÃen Bögen über das tiefblaue Golfwasser zum arabischen Festland spannt. Die seit zweihundert Jahren regierende Dynastie stand kurz vor dem Zusammenbruch, die Aufständischen hatten den zentralen Perlen-Platz erreicht, aber niemand schien ihren Ruf nach Menschenrechten und Demokratie zu vernehmen. In Washington wogen wohl die Erfordernisse der strategischen Realpolitik schwerer als die ständige Berufung auf die »human rights«.
Im Februar 1997 habe ich an der Grenze auf halber Strecke zwischen den beiden Ufern feststellen können,
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