Arabiens Stunde der Wahrheit
wie sich dort die schwerenamerikanischen Limousinen wohlhabender saudischer Ausflügler und Urlauber stauten. Was sie im Suq, im malerischen, schon indisch anmutenden Marktviertel von Manama, der Hauptstadt von Bahrein, suchten, waren nicht nur vorteilhafte Warenangebote. An der Prüderie des Wahhabiten-Regimes von Riyad gemessen, erschien die kleine Insel »der beiden Meere« wie ein Sündenpfuhl. Die saudischen Touristen fanden in Manama, was ihnen zu Hause streng verboten war, Whisky à gogo und russische Huren.
Nach einer flüchtigen Ãberprüfung durch Polizei und Zoll steuerten wir damals auf die sandige Strandlinie Arabiens zu. Der Fahrer Abbas, der sich nach einigem Zögern als bahreinischer Schiit zu erkennen gab, machte mich auf eine massive, etwa zehnstöckige Gruppe von Appartementhäusern aufmerksam, die sogenannten Khobar Towers, die sich unmittelbar ans Meer drängten. Hier hatte sich im vergangenen Sommer eine gewaltige Explosion ereignet. Die Fassade des getroffenen Gebäudes wurde zum Trümmerhaufen. Die Türme von el-Khobar wurden in aller Eile wiederaufgebaut und in hellgrünlicher Tönung verputzt. Nichts sollte an den Akt des Terrorismus erinnern. Die US-Garnison, die bei dem Anschlag schwere Verluste erlitten hatte, war aus dieser exponierten Unterbringung evakuiert und irgendwo in der Wüste â auf halbem Weg zur Hauptstadt â logiert, besser gesagt, versteckt worden. Der religiöse Eifer der Wahhabiten hatte sich mit der Präsenz ungläubiger Soldaten, mit der Stationierung bewaffneter »Kuffar« auf diesem heiligsten Boden des Dar-ul-Islam, südlich der sogenannten Omar-Linie, nicht abgefunden.
Erschwerend kam hinzu, daà unweit der supermodernen Ortschaft el-Khobar die reichsten Erdölvorkommen der Halbinsel im Umkreis von Dhahran und Damman aus dem Sand sprudeln. Diese östliche Provinz el-Ahsa war dem Königshaus von Riyad ohnehin nie geheuer gewesen. Hier lebt auf saudischem Boden eine geballte schiitische Minderheit, die politischer sowie religiöser Diskriminierung ausgesetzt ist. Der schleichende Fluch des Erdöls hat das Haus El Saud heimgesucht. Die Abkehr der Herrscher und so vieler privilegierterPrinzen von den strengen koranischen Tugenden, ihr Hang zur Ausschweifung, zum Alkoholgenuà und zur Unzucht, brachten ihnen den Ruf von »munafiqun«, von Heuchlern, ein. So hatte der Prophet die verhaÃten falschen Gläubigen gegeiÃelt.
Die Solidarisierung Amerikas mit der saudischen Dynastie bleibt weiterhin unerschüttert. Kein System in der arabischen und islamischen Welt tritt die Menschenrechte und die elementarsten demokratischen Vorstellungen so systematisch mit FüÃen wie dieser »Cornerstone« der US-Diplomatie und des amerikanischen Erdölgeschäfts. Nur selten entdecken die Kommentatoren in New York die wahre Natur dieser Alliierten. So ermannte sich der Kolumnist Abraham M. Rosenthal, folgendes königlich-saudische Dekret zu zitieren: »Freiheit der Religion existiert nicht. Der Islam ist die offizielle Religion und alle Staatsangehörigen müssen Muslime sein. Die Regierung verbietet die Ausübung aller anderen Bekenntnisse.« Während des Ersten Golfkrieges empörte sich die New York Times: »Alle Amerikaner, die meinen, daà die saudischen Behörden den US-Bürgern mehr Respekt zollen als den wehrlosen Fremdarbeitern aus der Dritten Welt, sollten folgendes wissen: Die US-Truppen, die sich während des Krieges gegen Saddam Hussein in Saudi-Arabien aufhielten, durften nicht das geringste Symbol ihres christlichen oder mosaischen Glaubens zur Schau stellen.« Wann wird für Saudi-Arabien die Stunde der Wahrheit schlagen? Die Frage wird seit dreiÃig Jahren gestellt, und niemand weià eine Antwort.
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In Manama und im Umkreis der Luxushotels von Bahrein hatte die lange britische Kolonialpräsenz ein trügerisches Klima der Toleranz, ja eine gewisse Frivolität hinterlassen. Seit Albion nach den Prüfungen des Zweiten Weltkrieges â zwar siegreich, aber extrem geschwächt â der neuen Hegemonialmacht Amerika die Wacht am Persischen Golf und den Löwenanteil der dortigen Erdölproduktion überlieÃ, traten die Konturen der unterschiedlichen Religiosität in aller Schärfe zutage. Schon der persische Schah Pahlevi hatteeinen territorialen Anspruch auf Bahrein angemeldet und mit allen Mitteln zu
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