Arabiens Stunde der Wahrheit
verzichten, die sonst andere einheimsen würden. Auch Berlin unterliegt gewissen Zwängen des nationalen deutschen Interesses. Aber man verschone uns in Zukunft mit der ständigen Beteuerung deutscher Tugendhaftigkeit.
Die Regierung Merkel/Westerwelle hat sich mit dieser massiven Aufrüstung einer finsteren arabischen Tyrannei â ganz wie der groÃe amerikanische Verbündete â damit abgefunden, »mit dem Teufel zu schlafen«. Zweifellos entsprach diese deutsche Anbiederung an das reaktionärste Regime der arabischen Welt den Wünschen Washingtons. Die deutsche AuÃenpolitik hatte da einiges gutzumachen, nachdem sie die unerklärliche Torheit begangen hatte, als einziges Mitglied der Europäischen Union und der Atlantischen Allianz sich im Weltsicherheitsrat bei der Abstimmung über das Ãberflugverbot Libyens, das die revoltierende Zivilbevölkerung vor Luftangriffen des Oberst Qadhafi schützen sollte, der Stimme zu enthalten.
Ein »arabisches Kuba«
Von der Insel Bahrein ist die Republik Jemen durch die ganze Breite der arabischen Halbinsel und deren endlose Wüsten getrennt. Wer einen sinnvollen Zusammenhang herstellen möchte zwischen den nordafrikanischen Wirren der »Arabellion« und den revolutionären Vorgängen in jenem südlichen Hochland, das einst »Arabia felix« hieÃ, wäre völlig falsch orientiert. Eine Gemeinsamkeit mit dem Mamlakat Bahrein kommt allenfalls durch den Umstand zustande, daà im Persischen Golf der freie Durchlaà durch die Meerenge von Hormuz bedroht wäre, während zwischen Jemen und Somalia der schmale Durchlaà des Bab el-Mandeb am südlichen Ausgang des Roten Meers zum ernsten Problem werden könnte. Der jemenitische Staatschef Ali Abdullah Saleh, der seit demJahr 1978 seine dikÂtatorische Macht ausübt, war bei einem ÂAttentat im Juni 2011 schwer verwundet und zur Behandlung nach Saudi-Arabien ausgeflogen worden. Inzwischen ist er nach Sanaa zurückgekehrt, um seine geschrumpfte Autorität zu festigen.
Alles ist ungewià in diesem Staat Jemen, der bis 1990 in zwei Âunversöhnliche Hälften geteilt war: eine konservative Stammes-ÂFöderation im Norden, die aus dem schiitischen Imamat der Zaiditen hervorgegangen ist, und eine marxistisch orientierte Volksrepublik im Süden. Letztere â ehemaliger Bestandteil des britischen Empire â hatte bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion aufs engste mit Moskau und Ost-Berlin paktiert. Südjemen wurde damals als »arabisches Kuba« bezeichnet. Die Vereinigung der beiden Landesteile vollzog sich unter schweren Geburtswehen und blutigen Kämpfen. Die psychologische Kluft dauert fort und hat sich sogar in letzter Zeit vertieft. Wer könnte schon eine Prognose formulieren zu einem Zeitpunkt, da die Arabische Republik Jemen in ihrem äuÃersten Norden dem schiitischen El-Houthi-Aufstand, im äuÃersten Süden einem Rückfall in sozialistische Nostalgie ausgesetzt ist? Dazwischen tragen die diversen Stämme ihre uralten Fehden aus. Das politische Vakuum, das um sich greift, begünstigt die Proliferation islamistischer Kampfgruppen, die sich in diesem Raum unter dem Etikett »El Qaida der Arabischen Halbinsel« zu erkennen geben.
Wer vermöchte schon ein Urteil über die diversen Stammes- und Rädelsführer zu fällen, die sich den Rang ablaufen, ob sie sich nun Tariq el-Fadhli, Anwar el-Awlaki, Abdul Majid, Herrid el-Ahmar oder Abdullah el-Raimi nennen? Soll sich die amerikanische CIA in diesem »Schlangenknäuel«, wie Präsident Saleh seine Gegner und Gelegenheitspartner bezeichnet, zurechtfinden. Da gibt es die zum Märtyrertod entschlossenen Fanatiker auf der einen und die auf materiellen Vorteil bedachten Opportunisten auf der anderen Seite. Der amerikanische Geheimdienst hat trotz der notorischen Unzulänglichkeit seiner »human intelligence« erkannt, daà der Jemen zum Sammelpunkt jener Kriegshaufen geworden ist, die aufgrund der saudischen Nachbarschaft und des günstigen Rekrutierungsbodensim wahhabitischen Königreich den Namen »El Qaida« mit mehr Berechtigung für sich beanspruchen können als so manche andere diffuse Terrorzelle.
Es gibt kaum einen Flecken des Jemen, den ich nicht besucht hätte, von Saada, der religiösen Hochburg der »Fünfer-Schiiten« im äuÃersten Norden bis zu den faszinierenden
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