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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Schwierigkeiten, denen sich seine Republik ausgesetzt sah, kleinzureden. Er fördere im Sudan eine islamische »Erweckungsbewegung« – er benutzte das Wort »revivalism«. Von engstirniger Unduldsamkeit, von »Usuliya« oder »Salafiya« könne nicht die Rede sein. Es gehe ihm vielmehr darum, die Rechtgläubigkeit der frühen Kalifen, der »Raschidun«, mit den Erfordernissen der Moderne in Einklang zu bringen. Der furchtbare Stammeskrieg in den Südprovinzen, der durch amerikanische Agenten geschürt würde, behindere den von ihm gewünschten wirtschaftlichen Fortschritt. Glücklicherweise habe sich die Volksrepublik China als zuverlässiger Handelspartner, fast als Verbündeter des Sudan bewährt. Mir kam plötzlich die These Samuel Huntingtons aus dem Clash of Civilisations in den Sinn, wo er über eine potentielle Solidarität zwischen militantem Islam und Konfuzianismus spekuliert hatte.
    Vom benachbarten Libyen und Oberst Qadhafi hatte man in Khartum offenbar keine hohe Meinung. Die vielzitierte »iranische Connection« stritt Bashir energisch ab. »Wir sind Sunniten, die Perser sind Schiiten«, betonte er. Ayatollah Khomeini genieße hohen Respekt bei den Sudanesen, komme als religiöse Führungsgestalt jedoch nicht in Frage. Daß ein Kontingent iranischer Revolutionswächter oder »Pasdaran« am Zusammenfluß von Blauem und Weißem Nil als Militärberater und Ausbilder tätig sei, wollte er nicht eingestehen.
    Sein ganzer Zorn richtete sich gegen die USA. »Die Amerikaner wollen uns von allen Seiten umzingeln und unsere Volksbewegung vernichten«, beschwerte er sich. Er könne sich nicht recht erklären, woher diese feindselige Voreingenommenheit stamme. Tatsache sei jedoch, daß die Rebellen des Südens, insbesondere die Sudanesische Volksbefreiungsarmee John Garangs, aus Uganda tatkräftige Waffenhilfeunter Anleitung amerikanischer Agenten erhalte. War sich der Präsident wirklich nicht bewußt, daß eine beachtliche Schar saudi-arabischer Islamisten, darunter ein gewisser Osama Bin ­Laden, die sich gegen die Vasallenrolle ihrer Dynastie gegenüber Washington auflehnte, auf dem Territorium der Republik Sudan Zuflucht gesucht hatte und von dort aus gegen Er-Riyad ihre Komplotte schmiedete? Als Instrument des Yankee-Imperialismus prangerte Bashir vor allem die Machenschaften des Staatschefs von Uganda, Yoweri Museveni, an. Der beabsichtige mit Unterstützung Amerikas ein großes Reich der weit verstreuten Niloten-Stämme zusammenzufügen, dem die Dinka und Shilluk des Süd-Sudan, die Massai und Luo von Kenia sowie diverse verwandte Völkerschaften Tansanias angehören sollten. Dieses sogenannte Hima-Reich entspreche jedoch nur der kranken Phantasie eines hemmungslosen Machtmenschen, der sich bereits als der »Bismarck Ostafrikas« bezeichnete. Mit Sicherheit würden diese Ambitionen jedoch in ganz Ostafrika grauenhafte Massaker, Plünderungen und Vernichtung zur Folge haben.
    Tanzen mit den Derwischen
    Juba, November 1994
    Der Präsident hat Wort gehalten. Zwei Tage nach der Zusage im Regierungspalast fand ich mich weisungsgemäß um fünf Uhr früh an der Rollbahn ein, die verheißungsvoll von einem Dutzend Flugzeugwracks sowjetischer Fabrikation gesäumt war. Eine gewaltige Boeing vom Typ Jumbo wurde mir von Bassam zugewiesen. Von der Flugmannschaft fehlte jede Spur. Sie traf mit gut zwei Stunden Verspätung ein. Dem Piloten Hassan konnte ich trotzdem nicht böse sein. Der Sudanese strotzte vor Fröhlichkeit und begrüßte mich mit einem herzlichen »Grüezi«. Dann entschuldigte er sich in fließendem Schwyzerdütsch. Er hatte mehrere Jahre in Winter­thurgelebt und war dort vermutlich von der Swissair ausgebildet worden. Ich war der einzige Passagier und nahm im Cockpit neben Hassan Platz. Was im riesigen Cargoraum der Maschine verborgen war, wurde mir nicht mitgeteilt.
    Wir hatten wohlgelaunt unsere Gurte angeschnallt, da tauchten die ersten Probleme auf. Welche Mängel das Düsentriebwerk aufwies, habe ich nicht begriffen, aber die Wartungs- und Reparaturarbeiten, die jetzt schleppend einsetzten, wirkten ziemlich beängstigend. Drei ölverschmierte Gestalten in Monteuranzügen, die ich zunächst dem Putz- und Pflegepersonal des Airports zugerechnet hatte, näherten sich den Motoren mit einem verrosteten Werkzeugkasten.

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