Arabiens Stunde der Wahrheit
ohrenbetäubenden Klänge eines Blasorchesters übertönt. Amin fuhr mich zum Salam-Hotel zurück. Die folgende Nacht war unerträglich. In Ermangelung eines Moskitonetzes war ich schweiÃüberströmt den Stichen der Insekten ausgeliefert. Ich war geradezu dankbar, als gegen vier Uhr morgens die Stimme des Muezzin den nahenden Tag ankündigte. »El salat kheir min el naum â Das Gebet ist besser als der Schlaf«, lautete sein Ruf.
*
Am Nachmittag meldete endlich Motorengeräusch das Nahen einer Transportmaschine. Mein Bewacher Amin war wieder zur Stelle und begleitete mich zum Flugplatz. Eine dickbäuchige Antonow klappte ihre Ladeluke herunter und spie eine Kompanie sudanesischer Soldaten aus. Die Männer sammelten sich unter grünen Wimpeln und bestiegen eine Kolonne von Lastwagen. Der russische Pilot der Antonow und seine Crew stammten aus der Gegend von Krasnojarsk. Die hellhäutigen Slawen, die mit nackten Oberkörpern und ölverschmierten Tarnhosen ihre Arbeit verrichteten, litten unter Sonnenbrand und der Treibhaushitze der Ãquatorprovinz. Von der Regierung in Khartum waren sie als Söldner für eine Dauer von drei Monaten angeheuert worden. Ein ehrliches Mitgefühl kam bei mir auf bei dem Gedanken an den Niedergang einer Weltmacht, die noch vor wenigen Jahren den ganzen Erdball zu ihrer marxistischen Ideologie bekehren wollte und den Amerikanern weite Teile Afrikas erfolgreich streitig machte.
Seit der Auflösung der Sowjetunion stellte Wladimir Putin seine jungen Soldaten den barbarischen Staatswesen der »Dritten Welt« alstechnisches Hilfspersonal und schlecht bezahlte Dienstleister zur Verfügung. Für den Rückflug nach Khartum war auÃer einem zertrümmerten Lastwagen vom DDR-Modell IFA kein Transportgut vorhanden. Zwei Dutzend Eingeborene, darunter Frauen und Kinder, kauerten auf dem Metallboden der Maschine. Als WeiÃer wurde ich von den Russen brüderlich aufgenommen. Sie boten mir den einzigen Sitz an, der mit einem Sicherheitsgurt versehen war. Ausblick auf das Niltal hatte ich dieses Mal nicht. Ãber Makala wurde die Antonow durch heftige Böen geschüttelt.
Die Chinesen am Nil
Khartum, Februar 2007
Die Chinesen sind da. Ein Zufall hat es gefügt, daà mein diesjähriger Aufenthalt in Khartum mit dem offiziellen Besuch zusammenfällt, den der chinesische Staats- und Parteichef Hu Jintao der befreundeten Republik abstattet. Ich hatte Glück, überhaupt eine Unterkunft, eine düstere Kammer im Grand Hotel, zu finden, das inzwischen in den Besitz einer malaysischen Company übergegangen ist. Mit gewaltigem Aufgebot ist der rote Kaiser aus Peking an den oberen Nil gekommen. Ãberall prangt sein Porträt neben dem des brüderlich lächelnden Staatschefs Omar el-Bashir. Die rote Flagge der Volksrepublik mit den fünf Sternen hängt von jedem Mast und jeder Empore neben der rot-weiÃ-schwarzen Fahne des Sudan mit dem grünen Dreieck.
Die ostasiatischen Experten und Diplomaten sind in dunkle Anzüge gekleidet und tragen stets eine dezente Krawatte auf dem makellos weiÃen Hemd. Sie verhalten sich höflich, aber extrem zurückhaltend. Das sudanesische Hotelpersonal â die malaysischen Manager bleiben im Hintergrund â ist überaus mitteilsam und Âbehandelt den einsamen Europäer mit betonter Freundlichkeit. »Wir sind auf Peking angewiesen«, so äuÃern sich sogar die eingeborenenKellner, »aber beliebt sind diese undurchsichtigen Asiaten nicht.«
Immerhin hat sich das Lebensniveau der Sudanesen spürbar verbessert, seit die Beauftragten der Volksrepublik inzwischen mehr als sechzig Prozent des geförderten Erdöls über die von ihnen in Rekordzeit gelegte Pipeline nach Bur Sudan am Roten Meer pumpen und in die groÃen Häfen zwischen Kanton und Shanghai verschiffen. Als Gegenleistung haben sie das riesige Land am Nil mit einer bemerkenswerten Infrastruktur ausgestattet, Tausende Kilometer StraÃen, Elektrizitätswerke, Krankenhäuser, Fabriken zur Baumwollverarbeitung, von der das britisch-ägyptische Kondominium von einst nicht einmal geträumt hätte.
Wieder einmal befinde ich mich im Wartezustand. Noch ist nicht entschieden, ob ich die Reise in die von grauenhaften Stammeskriegen heimgesuchte Provinz Darfur antreten kann. In den westlichen Medien sind diese undurchsichtigen Fehden zu einem Genozid aufgebauscht worden.
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