Arabiens Stunde der Wahrheit
gelesen über diese Nomadenstämme, die in mancher Beziehung an die ostafrikanischen Tutsi in Ruanda und Burundi erinnern? Der bedeutendste deutsche Afrikaforscher, Heinrich Barth, sah in den Fulani die »intelligentesten Afrikaner«. Sie waren wohl auch die hochmütigsten. Der Engländer Mungo Park, der schon um 1800 dem Lauf des Niger folgte und dabei den Tod fand, stellte fest, daà die Peul oder Fulani sich durch kupferfarbene Haut, schmale Nasen und Lippen von den übrigen Sudanesen unterschieden und sich stolz der weiÃen Menschheit zurechneten.
Ein Marabut namens Cerno Abdurrahman Bah hat ihre Entstehungsgeschichte unlängst in einem Gedicht besungen: »Zur gesegneten Epoche des Propheten Moses, des Erhabenen, sind die ersten Peul in unser Land am Fouta-Djalon gepilgert. Aus dem fernen Ãgypten waren sie mitsamt ihren Familien und ihren Viehherden aufgebrochen. Dort bekehrten sie sich zum Islam und schwärmten im ganzen Sudan aus«, so beginnt das Epos. Im Norden Nigerias, wo die Fulani heute mit fünf Millionen am stärksten vertreten sind, gab ein Wesir des Sultans von Sokoto eine andere Herkunft an. Er sah in seinen Stammesbrüdern die Nachkommen Abrahams, Isaaks und vor allem Esaus. Phantasiebegabte Exegeten der bizarren Fufulde-Sprache wollen herausgefunden haben, daà es sich um einen verlorenen Stamm Israels handele oder gar um eine Legion des alten Rom, die sich nach Schwarzafrika verirrte.
Generell nehmen die Ethnologen an, daà die Fulani in ferner Zeit nach endlosen Wanderungen im weiten Bogen über den nordafrikanischen Atlas und die Oasen Mauretaniens bis in die Gegend des Senegalflusses gelangten. Dort bildeten sie ihren ersten Siedlungsschwerpunkt Fouta-Toro, der heute noch besteht. Da es sich ursprünglichum »hamitische« Viehzüchter handelte, breiteten sie sich bei ihrer Suche nach Weidegründen vom elften Jahrhundert an im sudanesischen Korridor aus. Im Süden begrenzte der Regenwald ihr Vordringen. Heute findet man die Ballungszentren der Peul in Senegambia, im Fouta-Djalon, am mittleren Niger, in Nord-Kamerun sogar und vor allem in den Emiraten der nigerianischen Föderation. Ihr Nomadenleben haben sie allmählich zugunsten seÃhafter Staatsgründungen aufgegeben.
Die Bekehrung der Fulani zum Islam begann im Umkreis des Senegal, bei den sogenannten Toucouleurs oder Tekruri. Erst allmählich durchdrang die Lehre des Propheten das Fouta-Djalon-Gebirge. Aber dann setzte dort im siebzehnten Jahrhundert eine bemerkenswerte Entwicklung ein. Mit eifernder Inbrunst wandten sich die Fulbe der koranischen Offenbarung zu. Ihre religiösen Lehrer, »Muallam« genannt, die sich durch Sittenstrenge, ja ÂAskese auszeichneten, bewährten sich als Prediger und Anführer des Heiligen Krieges gegen die Heiden, die »Muschrikin«. Die Götzenanbeter bekamen die ganze Härte der Scharia zu spüren. Nach und nach formierte sich ein islamischer Gottesstaat, dessen oberster ÂBefehlshaber â Imam oder Almamy genannt â weltliche und religiöse Macht in einer Hand vereinigte.
Von den übrigen Muslimen der Sahelzone, die dem Zauberglauben der Vorväter längst nicht entsagt hatten und ihrem magischen Zeremoniell weiter huldigten, unterschieden sich die Korangelehrten der Peul durch ihre strikte Buchstabentreue, ihre guten Arabischkenntnisse und einen fast puritanischen Lebenswandel. Sie waren geborene »Fundamentalisten«. Drei Jahrhunderte sollte diese seltsame Hierarchie des Almamy-Reiches dauern. Die beiden bedeutendsten Sippen lösten sich in der Regierungsausübung ab. Aber dann rückten um 1890 französische Kolonialtruppen von der Küste heran. Nach einem letzten Aufbäumen unter dem frommen »Alim« El Hadj Omar und dessen Sohn Ahmadou am mittleren Niger vollzogen dieses stolze Volk und seine Imame eine widerwillige Unterwerfung unter die ungläubigen Eroberer.
Nur ein Jahrhundert zuvor war es im Herzen der Sahelzone jedochzur Gründung eines GroÃreichs der Fulani unter ihrem streitbaren Scheikh Osman Dan Fodio gekommen, der im Ruf koranischer Heiligkeit stand und seine Herrschaft über die im Norden des heutigen Nigeria lebenden Haussa-Stämme etablierte. Bei diesen Feldzügen trugen die Befehlshaber der Fulbe-Kavallerie Rüstungen, die jenen der fränkischen Kreuzritter oder den Kettenhemden der Mameluken ähnelten. Das Modell dazu war offenbar aus
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